Fleischereien im Teufelskreis
Branche in "katastrophalem Zustand" - Beruf wird immer unattraktiver - Massenware setzt sich gegen regionale Qualität durch

Nach über 50 Jahren war im Februar endgültig Schluss: Mit der Metzgerei Kadel schloss in der Breslauer Straße ein Traditionsbetrieb. Ein Einzelfall ist das jedoch nicht: Die Suche nach Nachfolgern wird für Fleischermeister immer schwieriger. Foto: Kreutzer
Von Riccardo Ibba
Weinheim. Die Schließung der Weinheimer Traditionsmetzgerei Kadel hat für Aufsehen gesorgt. Nach über 50 Jahren hat die Fleischerei im Februar die Pforten geschlossen. Nur ein Einzelfall oder Abbild eines Trends in der Branche?
Ein Anruf in der ehemaligen Metzgerei. Bernd Kadel, jahrzehntelanger Inhaber, nimmt ab. Seine Stimme ist kaum zu hören, sie geht im Baustellenlärm unter. Offenbar wird das Gebäude saniert. Zur Schließung seines Geschäfts möchte er kaum mehr etwas sagen. "Die Geschichte ist für uns abgeschlossen", beendet er das kurze Gespräch, kaum dass es begonnen hatte.
Stattdessen lohnt sich ein Gespräch mit Tobias Menzer. Er ist Geschäftsführer der Fleischer-Innung Mannheim-Heidelberg und vertritt die Interessen der Fleischer in der Region. "Die gesamte Branche befindet sich in einem katastrophalen Zustand", eröffnet er das Gespräch. "Uns fehlt der Nachwuchs an allen Ecken und Enden, der aktuelle Jahrgang der Auszubildenden in Mannheim und Heidelberg besteht aus achtzehn Personen, in Sinsheim sind gar nur zehn Azubis gemeldet."
Benötigt werden jedoch mindestens doppelt so viele, um den Bestand der Fleischereien mittelfristig erhalten zu können. Das führt dazu, dass immer mehr Schulstandorte wegfallen, die Anzahl der Absolventen ist zu klein. Die angehenden Fleischer-Meister müssen weite Strecken auf sich nehmen, um zur Berufsschule zu gehen. Das mindert die Attraktivität des Berufs. "Ein Teufelskreis", so Menzer.
Auch andere Gründe spielen eine Rolle. Noch immer sind Metzgereien zu 90 Prozent Familienbetriebe, die Kinder übernahmen das Geschäft von ihren Eltern und vererbten es später an ihren eigenen Nachwuchs weiter. In der Vergangenheit war es durchaus üblich, mit einer eigenen Fleischerei zu finanziellem Wohlstand gelangen zu können. Viele Kinder wurden auf Universitäten geschickt und verspürten nach abgeschlossenem Studium keine Neigung mehr, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Die Flucht in andere Berufe hatte begonnen, zumal das Geschäft mit einer eigenen Metzgerei immer weniger lukrativ wurde.
"Das Konsumentenverhalten hat sich deutlich verändert, die Menschen kaufen vermehrt das abgepackte Fleisch der großen Supermärkte", sagt Menzer. "Die hervorragende Qualität der regionalen Anbieter setzt sich leider nicht mehr gegen die Massenware durch."
Auch immer strengere gesetzliche Auflagen, ausgelöst durch die Skandale der großen Fleischhersteller, setzen den kleinen Betrieben zu. Bei bis zu vier Kontrollen pro Jahr steht nicht nur die Produktion still, was zu erheblichen Einbußen führt, auch die Kosten der Prüfungen müssen die Fleischer selbst bezahlen.
Doch wo liegen im Moment die Chancen der angeschlagenen Branche? Zulauf erhalten die Metzgereien meistens dann, wenn wieder unappetitliche Details der Geschäftspraktiken der Fleischindustrie öffentlich werden. Auch die Stände auf den großen Märkten wie dem Maimarkt werden stark frequentiert. Hier brummt das Geschäft noch.
So mancher Metzger setzt mittlerweile auf innovative Ideen, die begeistert aufgenommen werden. Die Fleischerei Pyck in Sinsheim und Fleischermeister Jens Müller, der "Woschte Miller" in Rittenweier, haben je einen Fleischautomaten aufgestellt, der es den Kunden ermöglicht, zu jeder Tages und Nachtzeit Steaks und Würstchen zu erwerben. Die Resonanz ist riesig. Müller will nun in Schriesheim einen zweiten Automaten errichten und seinen ursprünglich erlernten Beruf wieder in Vollzeit ausüben.
Doch die Probleme der Fleischer-Gilde bleiben trotz dieser positiven Ausnahmen, wie Geschäftsführer Menzer abschließend feststellt. "Ich bin seit vielen Jahren in der Innung tätig und habe viele Metzgereien schließen sehen, eine Neueröffnung habe ich in all der Zeit jedoch nie erlebt."