Nach Aus für Traditionsmetzgerei Kadel in Weinheim

Fleischereien im Teufelskreis

Branche in "katastrophalem Zustand" - Beruf wird immer unattraktiver - Massenware setzt sich gegen regionale Qualität durch

03.04.2018 UPDATE: 04.04.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 6 Sekunden

Nach über 50 Jahren war im Februar endgültig Schluss: Mit der Metzgerei Kadel schloss in der Breslauer Straße ein Traditionsbetrieb. Ein Einzelfall ist das jedoch nicht: Die Suche nach Nachfolgern wird für Fleischermeister immer schwieriger. Foto: Kreutzer

Von Riccardo Ibba

Weinheim. Die Schließung der Weinheimer Traditionsmetzgerei Kadel hat für Aufsehen gesorgt. Nach über 50 Jahren hat die Fleischerei im Februar die Pforten geschlossen. Nur ein Einzelfall oder Abbild eines Trends in der Branche?

Ein Anruf in der ehemaligen Metzgerei. Bernd Kadel, jahrzehntelanger Inhaber, nimmt ab. Seine Stimme ist kaum zu hören, sie geht im Baustellenlärm unter. Offenbar wird das Gebäude saniert. Zur Schließung seines Geschäfts möchte er kaum mehr etwas sagen. "Die Geschichte ist für uns abgeschlossen", beendet er das kurze Gespräch, kaum dass es begonnen hatte.

Stattdessen lohnt sich ein Gespräch mit Tobias Menzer. Er ist Geschäftsführer der Fleischer-Innung Mannheim-Heidelberg und vertritt die Interessen der Fleischer in der Region. "Die gesamte Branche befindet sich in einem katastrophalen Zustand", eröffnet er das Gespräch. "Uns fehlt der Nachwuchs an allen Ecken und Enden, der aktuelle Jahrgang der Auszubildenden in Mannheim und Heidelberg besteht aus achtzehn Personen, in Sinsheim sind gar nur zehn Azubis gemeldet."

Benötigt werden jedoch mindestens doppelt so viele, um den Bestand der Fleischereien mittelfristig erhalten zu können. Das führt dazu, dass immer mehr Schulstandorte wegfallen, die Anzahl der Absolventen ist zu klein. Die angehenden Fleischer-Meister müssen weite Strecken auf sich nehmen, um zur Berufsschule zu gehen. Das mindert die Attraktivität des Berufs. "Ein Teufelskreis", so Menzer.

Auch andere Gründe spielen eine Rolle. Noch immer sind Metzgereien zu 90 Prozent Familienbetriebe, die Kinder übernahmen das Geschäft von ihren Eltern und vererbten es später an ihren eigenen Nachwuchs weiter. In der Vergangenheit war es durchaus üblich, mit einer eigenen Fleischerei zu finanziellem Wohlstand gelangen zu können. Viele Kinder wurden auf Universitäten geschickt und verspürten nach abgeschlossenem Studium keine Neigung mehr, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Die Flucht in andere Berufe hatte begonnen, zumal das Geschäft mit einer eigenen Metzgerei immer weniger lukrativ wurde.

"Das Konsumentenverhalten hat sich deutlich verändert, die Menschen kaufen vermehrt das abgepackte Fleisch der großen Supermärkte", sagt Menzer. "Die hervorragende Qualität der regionalen Anbieter setzt sich leider nicht mehr gegen die Massenware durch."

Auch immer strengere gesetzliche Auflagen, ausgelöst durch die Skandale der großen Fleischhersteller, setzen den kleinen Betrieben zu. Bei bis zu vier Kontrollen pro Jahr steht nicht nur die Produktion still, was zu erheblichen Einbußen führt, auch die Kosten der Prüfungen müssen die Fleischer selbst bezahlen.

Doch wo liegen im Moment die Chancen der angeschlagenen Branche? Zulauf erhalten die Metzgereien meistens dann, wenn wieder unappetitliche Details der Geschäftspraktiken der Fleischindustrie öffentlich werden. Auch die Stände auf den großen Märkten wie dem Maimarkt werden stark frequentiert. Hier brummt das Geschäft noch.

So mancher Metzger setzt mittlerweile auf innovative Ideen, die begeistert aufgenommen werden. Die Fleischerei Pyck in Sinsheim und Fleischermeister Jens Müller, der "Woschte Miller" in Rittenweier, haben je einen Fleischautomaten aufgestellt, der es den Kunden ermöglicht, zu jeder Tages und Nachtzeit Steaks und Würstchen zu erwerben. Die Resonanz ist riesig. Müller will nun in Schriesheim einen zweiten Automaten errichten und seinen ursprünglich erlernten Beruf wieder in Vollzeit ausüben.

Doch die Probleme der Fleischer-Gilde bleiben trotz dieser positiven Ausnahmen, wie Geschäftsführer Menzer abschließend feststellt. "Ich bin seit vielen Jahren in der Innung tätig und habe viele Metzgereien schließen sehen, eine Neueröffnung habe ich in all der Zeit jedoch nie erlebt."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.