61 Besucher lauschten am Freitag begeistert Bariton Manuel Walser und Pianist sowie Festivalleiter Alexander Fleischer. Fotos: Dorn
Von Marco Partner
Hirschberg-Leutershausen. Da ist es endlich wieder: ein Geräusch wie prasselnder Regen und Balsam für die Seele des Musikerherzens. Der Applaus ist bei der Eröffnung des 4. Hirschberger Liedfestes am Freitag zwar nicht das komplizierteste Werk, aber doch mit die emotionalste Musikeinlage. Hand auf Hand – direkt ins Herz.
Nach ziemlich genau drei Monaten Stille ertönen in der Alten Synagoge wieder Klänge. Zum Auftakt des kleinen, aber beständigen Festivals regiert ein kräftiger Gesang, der bis tief unter die Brust der Zuhörer reicht, untermalt von einem weichen Klavier, welches das klassische Konzert in ein rauschendes Musikfest verwandelt.
Meist in Zweier-Blocks waren die Stühle in der Alten Synagoge beim dreitägigen Hirschberger Liedfest angeordnet. Fotos: Dorn"Wir dürfen wieder musizieren", verkündet Alexander Fleischer zu Beginn freudestrahlend. Allen Corona-Einschränkungen zum Trotz gelingt es dem Festivalleiter sowie dem Kulturförderverein, das Maximum von 61 Besuchern zu einem "exklusiven" Konzerterlebnis zu empfangen. Luftig verteilt, meist in Zweier-Blocks, sind die Stühle in der Synagoge angeordnet, sodass es auch ja nicht zum ungewollten Körperkontakt kommt. Dafür ist die musikalische Berührung umso größer. "Nach drei Monaten kultureller Entbehrung dürft ihr Musik wieder direkt und ohne digitale Umwege genießen", begrüßt Vorstandsmitglied Martha Krebs den erlesenen Zuhörer-Kreis.
Das erste Hirschberger Konzert nach der Corona-Zwangspause, es ist laut Fleischer "vielleicht sogar das erste Festival in ganz Baden-Württemberg". Doch auch bei der vierten Auflage muss der Leiter in die Trickkiste greifen und in letzter Sekunde einen Ersatz herbeizaubern. Nachdem er bereits 2018 und 2019 aufgrund kurzfristiger Erkrankungen seiner Künstler umdisponieren musste, zieht der Kammermusiker auch diesmal wieder einen erstklassigen Ausgleich an Land. Für die Mezzosopran-Sängerin Daniela Sindram springt der Schweizer Bariton Manuel Walser ein. Statt von den "Hängenden Gärten" wird nun "Von ewiger Liebe" gesungen.
61 Besucher mussten sich zuvor die Hände desinfizieren. Fotos: DornDas titelgebende Werk von Johannes Brahms bildet sogleich den Auftakt. "Dunkel, wie dunkel in Wald und in Feld! Abend schon ist es nun schweigt die Welt", lässt Walser das Gedicht von A.G. Hoffmann von Fallersleben aufleben. Kräftig, pathetisch, wehmütig und stolz, besingt er eine Liebe, die fester als Eisen und Stahl zu sein vermag. Die poetische Kraft setzt sich fort. Bei Brahms’ "Die Mainacht", "Traum durch die Dämmerung" von Richard Strauss oder "Der Traum" von Sergei Rachmaninoff verwandeln sich auf spätromantische Weise der "silberne Mond" oder das "Dämmergrau der weiten Wiesen" in mystische Metaphern. Dass Manuel Walser ein absoluter Hochkaräter seiner Zunft ist, zeigt sich nicht nur im donnernden Timbre seines Gesangs, sondern in der Sprache: Rachmaninoffs Lieder werden nämlich allesamt im russischen Original vorgetragen. Als langjähriges, festes Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und mehrfacher Preisträger haucht er auch weiteren Perlen des Liedguts wie "Zuneigung", "Das Rosenband", "Sing nicht, du Liebliche" oder "Leise Lieder" Leben ein.
Und sein Klavier-Kompagnon Fleischer? Der sitzt sichtlich vergnügt am Bechstein-Flügel, mit dem er bereits vor zwei Jahren Schuberts "Winterreise" zum Besten gab. Manchmal schüttet er tröpfchenweise Töne aus, dann mäandert das Klavierspiel wie ein rauschender Fluss durch die Synagoge. Vor allem bei Sergei Rachmaninoffs "O nein, ich bitte dich, verlass‘ mich nicht!" überlappen sich Klavierspiel und der inbrünstige Gesang, türmen sich Stimmen- und Instrumentenklang auf dramatische Weise auf und bringen das kleine Konzerthaus fast zum Beben. Ein Gänsehautmoment, der nicht nur bei den beiden Künstlern auf der Bühne ein fast schon verloren gegangenes Gefühl hervorruft. Musik setzt etwas frei, und es wirkt, als wollten die Zuhörer die beiden Künstler gar nicht mehr gehen lassen. Zwei Zugaben folgen, etliche "Bravo!"-Rufe. Und natürlich Applaus. > siehe weiteren Bericht
Info: Das Auftakt-Konzert des Liedfestes wurde von "SWR2-Kultur" aufgezeichnet. Wann es im Radio erklingt, steht noch nicht fest.