Ihr neuer Krimi "Halali" ist längst Bestseller. Und sogar ARD-Literaturkritiker Dennis Scheck ließ die Weinheimer Autorin Ingrid Noll (l.) und ihr Werk leben - was er nicht bei jedem tut. Vor dem Publikum in der Buchhandlung Beltz gab sie sich gewohnt offen und unprätentiös. Foto: Dorn
Von Günther Grosch
Weinheim. Ein Krimi ohne Leiche? Nicht mit Ingrid Noll, wie Fans von Weinheims "Lady of Crime" wissen. Recht haben sie. Auch wenn in Nolls neuestem Roman der erste Tote erst auf Seite 66 rheinabwärts vorübertreibt. Weitere 100 Seiten später wird in Nolls aktueller "Do-it-yourself- Mordanleitung, ohne erwischt zu werden" erneut zum "Halali" geblasen. Und obwohl dieser der Jägersprache entnommene Ausruf eigentlich das Ende einer Jagd anzeigt, kann es Noll mit ihrer schriftstellerisch-ruchlosen Tätigkeit auch dann noch immer nicht bewenden lassen.
In dem Plot zu dem Roman geht es auch um einen Rückblick in die 1950er- und damit die "wilden Jugend-Jahre" der in Schanghai geborenen, "mit dem letzten Schiff vor den Kommunisten geflohenen", heute 81-jährigen Schriftstellerin. Zunächst leise und bedachtsam kommt die zwischen dem Gestern und Heute spielende Agentengeschichte der im Bonn Bad Godesberger Diplomatenviertel wohnenden und im Innenministerium arbeitenden "Vorzimmerdamen" Holda und Karin daher, ehe die wilde Jagd an Fahrt und Brisanz gewinnt.
Als Gegenüber und staunende Zuhörerin, was ihr ihre Großmutter als redefreudige "Zeitzeugin" aus der damaligen spionageträchtigen Zeit zu berichten weiß, dient Holdas Enkelin Laura. Von Schäferstündchen am Rhein, ersten zaghaften Küssen ihrer Großmutter und geheimnisvollen "toten Briefkästen" ist da die Rede. Der "Kohl- und Kohle-Klau" der Nachkriegsjahre, das heraufziehende Wirtschaftswunder, die ersten Schwarzweiß-Röhrenfernseher, Robert Lembkes "Heiteres Beruferaten", die Erfindung des "Monopoly"- Spiels und vieles andere mehr garnieren das nostalgische Ambiente.
Bewährte Markenzeichen in dem 320 Seiten starken, im Diogenes Verlag erschienen Bändchen bleiben wie immer Nolls Sprachgefühl, ihr Schreibstil und bei den Lesungen ein sympathisches Vortragsvermögen. Was sie einmal mehr und noch lange vor der Frankfurter Buchmesse bei der "Premierenlesung" in der Weinheimer Buchhandlung Beltz vor mehr als 100 Zuhörern zu beweisen verstand.
"Jetzt dürfen Sie mich löchern!", läutete sie nach der gut einstündigen Lesereise in die Vergangenheit die Fragerunde ein, die bei keiner ihrer Lesungen fehlen darf. Ob ihr die Recherche für den Roman schwergefallen sei?, will eine Besucherin wissen. Nein, antwortet Noll. Das Schreiben sei diesmal leichter als sonst gewesen. Vieles habe sie schon paratgehabt, ohne es erfinden zu müssen. "Weil ich selbst von 1950 bis 1959 in Bonn gelebt, das aufblühende Wirtschaftswunder und die dortige Nachkriegsgeschichte hautnah miterlebt, die Tanzstunde besucht, mein Abi gemacht, Germanistik und Kunstgeschichte studiert, als Studentin während der Semesterferien in der Bibliothek des Innenministeriums gejobbt und in der da-maligen Bundeshauptstadt auch meinen Mann kennengelernt habe."
Ein autobiografischer Roman also? Die charmante Großmutter schmunzelt, verschwörerisches Augenzwinkern: "Sie können ja mal vorbeikommen und im Keller nach dort verbuddelten Leichen graben!"
Den Austausch der Generationen zwischen Großmutter und Enkelin und damit "zwei unterschiedlichen Welten" finden viele der hauptsächlich weiblichen Besucher "charmant". Die "Alte" rede nicht nur, so eine Zuhörerin. "Holda" lerne auch viel von ihrer Enkelin. Auch sie habe vier Enkelkinder, das Älteste sei gerade 18 geworden, "also in Lauras Alter", erzählt Ingrid Noll stolz. Deshalb wisse sie seit Kurzem auch, was ein "MoF" ist: Ein "Mensch ohne Freunde", habe sie von ihrer Enkelin vom Sprachgebrauch der heutigen Generation beigebracht bekommen.
Ganz zum Schluss und mit dem Versprechen auf ein "großes Indianerehrenwort" verrät Noll noch "ein dunkles Geheimnis" aus ihrer Bonner Jungmädchenzeit. Mit dem Auto ihres Vaters, "einem Opel Olympia", sei sie einmal im Kottenforst, einem der "Tatorte" von "Halali", unterwegs gewesen und dort im aufgeweichten Boden stecken geblieben. "Meine Eltern haben davon nie etwas erfahren!"
Etwa alle zwei Jahre erscheint ein neuer Roman, sodass Noll bereits "heftig arbeitet". Fans der Krimi-Queen sollten sich 2019 schon jetzt blutrot ankreuzen.