"Das Alter ist zwar mit vielen Molesten verbunden", sagte Ingrid Noll (r.). Doch die "Alternative" dazu behage ihr auch nicht. Humorvolle und offene Worte fanden auch Autorenkollegin Silke Ziegler (M.) und Filmemacherin Sigrid Abel. Sie wollte Ingrid Nolls Wirken unbedingt dokumentieren - und durfte dies auch. Foto: Kreutzer
Von Günther Grosch
Weinheim. Ingrid Noll bläst in ihrem brandneuen, inzwischen 14. Krimi-Bestseller zum mörderischen "Halali" - auf gewohnt sanfte und fast schon sympathische Art. Silke Ziegler hingegen lässt durch die Untaten des "Kerwe-Schlitzers" das Blut so sehr fließen, dass sich manche Leser nach der Lektüre ihres in Weinheim angesiedelten Regionalkrimis "Die Nacht der 1000 Lichter" in diesem Jahr nur mit gemischten Gefühlen aufs größte Volksfest an der Bergstraße gewagt haben sollen.
Mit Noll, die erst kürzlich ihren 82. Geburtstag feierte, und der an Jahren um gut die Hälfte jüngeren Ziegler saßen zum Auftakt des diesjährigen "Filmfestivals der Generationen" die beiden derzeit wohl prominentesten Schriftstellerinnen aus "Crimeheim" gemeinsam mit der aus Ketsch stammenden Filmemacherin Sigrid Abel auf dem Podium des "Modernen Theaters".
Abel hatte Noll ein Jahr lang auf ihren Lesungen sowie Reisen zur Frankfurter Buchmesse und zum Diogenes-Verlag in Zürich begleitet, sie zu Hause besucht und beim Einkaufen im Supermarkt gefilmt, um tiefer in "Die mörderische Welt der Ingrid Noll" einzutauchen. 2016 hatte der Fernsehfilm im SWR Premiere gefeiert. Jetzt gab’s die Kino-Uraufführung vor heimischem Publikum.
Das Alter sei zwar mit vielen "Molesten" (Unannehmlichkeiten und Beschwerden) verbunden. Doch die Alternative dazu gefalle ihr auch nicht, gestand Noll auf Nachfrage von Moderator Roland Kern. Auch wenn die Augen und Ohren nachließen und das Reisen immer beschwerlicher werde: "Die Mordslust am Schreiben ist bei mir dennoch nach wie vor vorhanden."
Was die Filmemacherin mit Blick darauf, dass die dreifache Mutter und mittlerweile vierfache Großmutter erst mit 55 Jahren, "nachdem die Kinder aus dem Haus waren", mit dem Schreiben begonnen hatte, bestätigte. Noll sei ein Vorbild für alle, die auch im fortgeschrittenen Alter noch etwas Neues anfangen wollten. Als "wichtige Impulsgeber und Inspirationsquellen" für ihre Arbeit bezeichnete Noll neben ihren drei inzwischen erwachsenen Kindern vor allem ihre Enkel Mira und Ruben. Man müsse sich auch im Alter noch dafür interessieren, "wie die Welt weitergeht, damit man nicht verknöchert".
Die Idee, einen Film "mit Noll und über Noll" zu machen, sei ihr schon lange zu-vor gekommen, ehe sie Noll persönlich kennengelernt habe, so Abel. In Schwetzingen habe sie sich in eine von Nolls Lesungen eingeschlichen und ein "inneres Casting" gemacht. "Ich war keine zehn Minuten drin, da dachte ich schon: Hoffentlich macht Frau Noll den Film mit mir." Scharfsinnig, intelligent, feinfühlig, humorvoll und uneitel: Das seien Nolls hervorstechendste Merkmale. Der Film sei "sehr gut geraten", spielte die Krimiautorin den Ball zurück. Für den Darsteller selbst sei die gefilmte Situation mitunter schwierig, weil man sich selbst nicht immer nur von seiner Schokoladenseite sehe: "Man lächelt sich nur zuhause vor dem Spiegel selbst zu."
Obwohl sie selbst in ihrer weiteren Lebensplanung "keine langfristigen Pläne" aufstelle, so Noll, dürfen sich Fans der "Lady of Crime" trotzdem noch auf etliche weitere Bücher freuen. "Meine Mutter wurde 106, meine Großmutter 105 Jahre." Fünf Bücher hat Silke Ziegler veröffentlicht. Während die ersten vier auf eher leichte und beschwingte Art in ihrer "Urlaubsheimat" Südfrankreich spielten, habe sie sich mit dem Weinheim-Krimi jetzt erstmals in dunklere Gefilde gewagt, so die gelernte Finanzassistentin.
Sich in dem ausgeübten "Brotberuf", zwischen Veranstaltungen und Interviewanfragen sowie mit Ehemann und zwei schulpflichtigen Kindern und dem schriftstellerischen Hobby "Freiräume zu schaufeln", sei mitunter schwierig, sprach Ziegler offen über die Licht- und Schattenseiten ihres Erfolgs. Und worin bestehen die gravierend-sten Unterschiede in den Stilmitteln der beiden Generationen?
"Noll mordet mit leichter Hand und einem Augenzwinkern. Bei mir geht es etwas blutiger zu." Das nächste Buch werde zum Ausgleich dafür wieder unter der Sonne der Provence spielen. Auch bei Ingrid Noll hat ein neuer Krimi "bereits angeklopft". Bevor es damit aber weitergeht, müssen erst etliche Lesereisen absolviert werden.
Denn: "Wenn im Herbst der Jäger zum ’Halali’ bläst, ist ’Lesezeit’ für Winzer und Autoren."
Info: Am Mittwoch, 18. Oktober, 15 Uhr, zeigt das "Moderne Theater" im Rahmen des "Filmfestivals der Generationen" die Schweizer Komödie "Die Herbstzeitlosen". Im Eintrittspreis von sieben Euro ist auch ein Glas Sekt inbegriffen.