Mit seinem Spiel reist Otto Ulrich herum. Meist bringt er es in Schulklassen in Deutschland, er war aber auch schon bei Firmenveranstaltungen und an Universitäten im In- und Ausland. Foto: Schröder
Von Katharina Schröder
Edingen-Neckarhausen. "Cooling down" - Was klingt wie der Titel eines Meditations-Kurses, ist in Wirklichkeit ein Simulationsspiel mit ernstem Hintergrund: Es soll den Blick für die Ausmaße des Klimawandels schärfen. Der heute in Edingen-Neckarhausen lebende Otto Ulrich erfand und entwickelte das Spiel während seiner Zeit als Angestellter im Kanzleramt in Berlin.
"Wir haben uns immer überlegt, wie können wir das Thema Klimawandel abends an den Familientisch bringen?", erklärt Ulrich im RNZ-Gespräch. Das Spiel erschien 2009, in Zeiten von Fridays for Future, da Millionen Kinder und Jugendliche auf die Straße gehen, um für mehr Umweltschutz zu demonstrieren, und vor allem bei Erwachsenen nicht nur auf Verständnis stoßen, ist es heute aber aktueller denn je.
"Man muss gemeinsam spielen. Alle gewinnen oder keiner"
Das Brettspiel kann man sich wie folgt vorstellen: Den Hintergrund bilden die Kontinente und Meere unseres Planeten. Außen auf dem Spielfeld ist eine Skala, die anzeigt, wie viel von der noch verbrauchbaren Menge an CO2 bereits genutzt wurde und wie viel noch verwendet werden kann, bis die Erde nicht mehr zu retten ist. Angegeben wird dies in ppm - parts per million. Also in Millionsteln.
Während des Spiels läuft auf einem Pfad stets eine Figur und zeigt den Stand an. Parallel dazu verläuft eine Zeitskala von 1840 bis 2050. "Das ist so realistisch", sagt Ulrich, "wir müssen es schaffen, bis 2030 nicht über 450 ppm zu kommen." Sonst sieht es düster aus.
Die Spieler organisieren sich in sechs Gruppen und nehmen dabei die Rolle von sechs Akteuren ein, die die Weltgesellschaft repräsentieren sollen: Nord- und Südamerika, Europa, Asien, Afrika und Russland. Die Spieler ziehen Ereigniskarten und müssen auf diese reagieren und immer abwägen, ob eine Handlung zu schädlich für das Klima ist und daher gelassen werden sollte, oder man stattdessen an anderer Stelle CO2 einsparen kann.
Geld spielt selbstverständlich auch eine Rolle, denn die Strategien zur Verringerung des CO2-Austoßes kosten. Und der Zusammenhalt untereinander ist wichtig. "Man muss gemeinsam spielen, es kann nur gemeinsam eine Lösung gefunden werden", sagt Ulrich. "Alle gewinnen oder keiner." So wie im wirklichen Leben. "Cooling down" sei auch ein Lernspiel. "Man lernt, durch Dialog zu einem Konsens und schließlich zu einem Ergebnis zu kommen", erzählt er.
Ulrich will besonders die Widersprüchlichkeit zwischen der Realität und dem Spiel an den Familientisch bringen. "In Wirklichkeit würde man sich vielleicht sagen, ach, den einen Flug mach ich doch einfach", sagt er. "Aber in dem Spiel kommt das natürlich doof an." So sollen die Gedanken vom Spiel auf die Realität und den aktuellen Stand des Klimawandels auf der Erde übertragen werden.
Ziel des Spiels sei ein größeres Bewusstsein für das Thema des Klimawandels und den Umweltschutz, sagt Ulrich. Die zu treffenden Entscheidungen sind aus dem Leben gegriffene Situationen, zum Beispiel eine höhere Besteuerung von Flügen, wie sie aktuell zur Debatte steht, oder die Pflicht zur Arbeit in sozialen Projekten für Vielflieger.
Mit seinem Spiel reist Ulrich herum. Meist bringt er es in Schulklassen in Deutschland, er war aber auch schon bei Firmenveranstaltungen und an Universitäten im In- und Ausland. Er findet: "Die heutigen Delegierten auf den Weltklimakonferenzen sollten zu Beginn erst einmal eine Runde Cooling down spielen." Gelegenheit hätten sie dazu im Dezember, wenn in Chile die UN-Klimakonferenz stattfindet.
Vor einer Schulklasse zu stehen sei manchmal ergreifend, sagt Ulrich. "Eine zehnte oder elfte Klasse stand mit Tränen in den Augen vor mir und bedankte sich dafür, dass ich mich für ihre Zukunft einsetze." Und auch bei der Entwicklung des Spiels ging er mit gutem Beispiel voran: Es sei klimaneutral hergestellt worden und habe kein Plastik verarbeitet, erzählt Ulrich.