Mit Traktor und Planwagen ging es für Politiker und Landwirte gestern die Bergstraße entlang. Die Bauern erklärten, warum sie eigentlich gern aufs Spritzen verzichten würden. Foto: Kreutzer
Von Karin Katzenberger-Ruf
Hirschberg/Bergstraße. Volksantrag contra Volksbegehren: Mit dem Antrag unter dem Motto "Gemeinsam unsere Umwelt schützen in Baden-Württemberg" haben Bauern-, Weinbau- und Erwerbsobstbauverband bereits Anfang Oktober Gegenposition bezogen. Während für das Volksbegehren "Rettet die Bienen" 770.000 Unterschriften gesammelt werden müssen, reichen für den Volksantrag 40.000.
"Wir wollen zusammen mit der Wissenschaft Projekte für den Artenschutz entwickeln und mit der Landesregierung im Dialog bleiben", kündigte der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Rhein-Neckar, Wolfgang Guckert, am Freitag am Ende einer rund anderthalbstündigen Planwagenfahrt an der Bergstraße an. Dazu hatte der Verband außer Vorstandsmitgliedern aus den eigenen Reihen Bürgermeister, Kommunal- und Landespolitiker, aber auch einen Weinbauexperten und eine Gartenbauingenieurin eingeladen. Mit Stefan Schmutz und Hermann Lenz waren die Bürgermeister von Ladenburg und Laudenbach vertreten, für Hirschberg kam Stellvertreter Karlheinz Treiber, für Schriesheim Stellvertreterin Fadime Tuncer.
Hans Mayer, Vorsitzender des Bauernverbands Großsachsen, übernahm bei der Fahrt durch die Felder die Moderation. Etwa zehn Minuten nach dem Start am Reisig-Hof in Großsachsen verkündete er: "Jetzt sind wir auf Weinheimer Gemarkung." An dieser Stelle machte er auf das rund 60 Hektar große Neubaugebiet Hohensachsen West aufmerksam, sprach in diesem Zusammenhang von Flächenversiegelung.
Mittlerweile gibt es hier auch keine Tierhaltung mehr. Wo ein Landwirt einst noch einen "Anbindestall" für Kühe einrichten wollte, befindet sich nun die Törggelestube. Oder besser gesagt der Obstbaubetrieb eines Südtirolers.
Von seinen Süßkirschen, die zum Schutz vor der Kirschessigfliege "eingenetzt" werden, hatte Obstbauer Sven Stein da schon erzählt. Es ist eine Methode, um aufs Spritzen verzichten zu können, und ein Projekt, das vom Julius-Kühn-Institut in Dossenheim wissenschaftlich begleitet wird.
Linda Weingärtner, deren Betrieb auf Spargel und Erdbeeren spezialisiert ist, rechnete vor, warum die Bauern selbst liebend gern auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verzichten. Schließlich kostet das Spritzen pro Hektar rund 250 Euro. Bei den 60 Hektar Erdbeeren sei das pro Saison etwa sechs Mal notwendig. Die Saison dauert von Ende April bis Ende Oktober. Dieses Jahr war wegen der regnerischen Witterung seit Anfang des Monats früher Schluss. Pflanzenschutz war demnach gar nicht mehr möglich, und die Beeren sind im Foliendamm verfault.
Mit Traktor und Planwagen ging es über die B3 auf die andere Seite und damit ins Landschaftsschutzgebiet, in dem keine Pestizide mehr erlaubt wären, wenn das Volksbegehren durchginge. In Hanglage befindet sich eine Gemeinschaftsrebanlage aus dem Jahr 1957, in der vor allem die Sorte Müller-Thurgau angebaut wird. An anderer Stelle verwies Weinbauexperte Tim Ochsner auf einen Wingert mit der Rebsorte "Regent". Diese gelte als besonders robust, verkaufe sich aber nicht gut. Nur: Einfach etwas anderes anzupflanzen ginge nicht. Das gelte nicht nur im Weinbau, sondern generell in der Landwirtschaft. So bräuchte auch die Umstellung von einem konventionellen zu einem ökologischen Betrieb einige Jahre, wie Mayer betonte.
Zwischendurch machte er das Publikum auf einen Vollernter in den Weinbergen aufmerksam. "So eine Maschine ersetzt bei einer Stundenleistung von 70 Ar bis zu 70 Lesehelfer", sagte er. Früher sei die Weinlese ja geradezu ein Familienfest gewesen. Heute fehle es allerdings an Helfern. "Wenn den einheimischen Landwirten die Produktion aus der Hand genommen wird, sind die Regale im Supermarkt trotzdem mit Waren aus dem Ausland voll," gab Gartenbauingenieurin Jutta Becker aus Schriesheim zu bedenken. Ökologisch sei das nicht.