Heidelberg/Rhein-Neckar. (sha/zg) In der heutigen Folge der RNZ-Serie "Meine Stadt 1945" erinnert sich Gerhard Ritzhaupt an das Kriegsende in Heidelberg und bestätigt, dass es das legendäre Flugblatt "Heidelberg werden wir schonen, in Heidelberg wollen wir wohnen" tatsächlich gegeben hat.
Ich war elf Jahre alt, als die amerikanischen Truppen im April 1945 in Heidelberg einmarschierten. Wir wohnten in der Plöck, wo meine Eltern eine Bäckerei betrieben haben. Ich kann mich gut daran erinnern, dass es da noch zu einer Schießerei zwischen deutschen und amerikanischen Soldaten kam. Die Deutschen waren wohl auf dem Rückzug in Höhe der Universitätsbibliothek, und die voranrückenden Amerikaner befanden sich in Höhe der Hölderlinschule.
Wir hatten die Haus- und Ladentür verschlossen und unseren Luftschutzkeller aufgesucht, der seinen Notausstieg zur Plöck hatte. Dadurch konnten wir das pfeifende Geräusch der Gewehrkugeln hören. Dass wir alle Angst hatten und froh waren, als das vorbei war, kann man sich vorstellen. Es war sicherlich nur ein kurzes Gefecht, aber es kam uns wie eine Ewigkeit vor. Als wir uns nach einigen Stunden wieder vorsichtig vor die Haustür wagten, sahen wir einige amerikanische Soldaten, die wohl die Straßenkreuzungen Märzgasse, Friedrichstraße, Theaterstraße und Grabengasse besetzten und bewachten. Schon nach wenigen Tagen hatten wir Buben von der Plöck mit den fremden Soldaten "Kontakt" aufgenommen und uns mit einem Mix aus Deutsch, Englisch und Handzeichen verständigt.
In den letzten Kriegsjahren lebte und arbeitete auch ein Franzose als Bäckergeselle bei uns. Eigentlich war er Kriegsgefangener. Er stand aber bei uns unter "Haussarest", weil der Backbetrieb bereits kurz nach Mitternacht begann. Nur über das Wochenende musste er ins "Lager" - im Saal der Handschuhsheimer "Traube" - per Fahrrad gebracht und wieder abgeholt werden. Begleitet wurde er von mir oder einem meiner Brüder ebenfalls per Fahrrad. Es wäre für ihn leicht gewesen zu fliehen, aber er hat sich bei uns wohlgefühlt und war wie ein Mitglied der Familie. Leider wurde er nach dem Einzug der Amerikaner aus der Backstube abgeholt und wir haben nie mehr etwas von ihm gehört. Wir vermuten, dass er noch in den Krieg eingezogen wurde und gefallen ist. Er hätte sich nach dem Kriegsende sicher bei uns gemeldet.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch erwähnen, dass es einige Monate vor dem Einmarsch der Amerikaner tatsächlich die Flugblätter mit dem Aufdruck "Heidelberg werden wir schonen, in Heidelberg wollen wir wohnen" gab. Das wird zwar immer wieder von Leuten bezweifelt, die damals gar nicht in Heidelberg gelebt haben. Ich kann mich gut daran erinnern, dass ein Flugzeug über Heidelberg flog, ohne "Fliegeralarm" auszulösen. Plötzlich war der Himmel über uns für einige Minuten dunkelgrau wie bei einem Gewitter. Man suchte Deckung in Hauseingängen, bis man die Zettel herabfallen sah. Viele stürzten sich darauf um diese zu lesen, jedoch ohne sofort zu begreifen, was damit gemeint war.
Mehrere Jungs von uns hatten diese Zettel unabhängig voneinander in der Altstadt und Weststadt aufgelesen, aber leider hat sie keiner aufbewahrt, was eine Umfrage unter den noch Lebenden ergab. Erinnern konnten sich aber alle ...