Wem ARD-Moderator Alexander Bommes den EM-Sieg zutraut
"Das deutsche Team muss sich nicht verstecken". Und warum er sich nicht an Geisterspiele gewöhnen will.

Von Alexander R. Wenisch
Schlagfertig, humorvoll und sachkundig: Alexander Bommes zählt nicht nur zu den beliebtesten deutschen Quizmastern ("Gefragt – Gejagt"). Der ehemalige Handballprofi ist seit vielen Jahren auch als Moderator erfolgreich, wenn es um Spitzensport geht. Natürlich ist der 45-jährige mit am Start, wenn "Das Erste" über die EM-Spiele berichtet. Wir sprachen mit Alexander Bommes über ein Event unter schwierigen Vorzeichen.
Herr Bommes, Sie waren früher im Leistungssport aktiv. Genießen Sie es, heute nicht mehr die Knochen hinhalten zu müssen?
Ich genieße die "gepflegte Studioatmosphäre" durchaus. Aber dieses körperliche Ausgepowert-Sein in der Mannschaftskabine ist das Gefühl, dass ich wahrscheinlich noch dann im Herzen trage, wenn ich den Deckel zuklappe. Erschöpft und zufrieden im Kreise der Kollegen – das war unbeschreiblich schön.
Welche Mannschaften sehen Sie vielversprechend aufgestellt, welche sind Ihre Favoriten für den EM-Titel?
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Bei deutschen Team wird es mehr denn je darauf ankommen, wie es ins Turnier hineinkommt. Gelingt ein leidenschaftlicher Start, ist viel möglich. Die Mannschaft ist stark und muss sich weder hinter Frankreich, noch hinter Spanien, Portugal, Belgien oder England verstecken.
Die Meisterschaft wird an elf Spielorten in ganz Europa ausgetragen. Finden Sie das sinnvoll?
Den Grundgedanken habe ich als sinnvoll erachtet. Was sich jetzt in der Praxis ergibt, ist noch einmal eine ganz andere Beurteilung. Da spielen ja jetzt ganz andere Faktoren eine Rolle. Natürlich birgt die Infektionslage ein Unbehagen. Und natürlich ist das einst geplante, die Fans verbindende Fest so nicht möglich. Aber es gilt ja mehr denn je der Leitsatz: "Okay, nehmen wir es an, so wie es ist und machen wir das Beste daraus!". Das klingt einfach – wir sehen aber auf so vielen Ebenen, wie schwer die Umsetzung fällt.
Die EM findet mit Zuschauerbeteiligung statt. Das befürwortet nicht jeder Epidemiologe. Bereitet Ihnen der Corona-Aspekt Sorge?
Sorge bereitet mir das nicht. Auch hier bin ich ein Fan von "Schuster, bleib bei Deinen Leisten!". Früher waren von 80 Millionen Deutschen immer 70 Millionen Bundestrainer. Heute sind plötzlich über 70 Millionen auch Virologen und Politiker. Das ist ja zum Teil schon sehr anmaßend. Ich bin nicht obrigkeitshörig. Aber vertrauensvoll, dass Entscheidungen nicht zum bewussten Nachteil der Bevölkerung getroffen werden. Natürlich verspüre ich auch persönlich noch ein gewisses Unbehagen beim Blick auf volle Blöcke. Aber es gilt, abgewogene Entscheidungen zu treffen und dann mit den Konsequenzen umzugehen. Dass man alles machen kann, aber alles Konsequenzen hat, haben wir ja in den vergangenen Monaten gespürt. Ich wünsche mir in diesem Fall positive.
Haben Sie sich mittlerweile an Geisterspiele der Bundesliga gewöhnt?
Nee. Da möchte ich mich auch gar nicht dran gewöhnen. Das läuft ja jeder Form von leidenschaftlichem Sport zuwider. Ich freue mich sehr, wenn das irgendwann vorbei ist. Bis dahin muss man sich damit arrangieren. Es nützt ja nichts, im Leid darüber zu versinken.
Hat Sie die Demontage der deutschen Nationalelf bei der letzten WM persönlich bewegt?
Ich bin weder emotionslos, noch geht mir ein Ausscheiden der Deutschen persönlich nahe. Für mich sind die Mechanismen spannend. Was verunmöglicht Leistung? Warum ist vieles im Sport absehbar? Warum wiederholt es sich jährlich an anderen Orten und Stellen? Wo liegt die Verantwortung und welche Schlüsse sind daraus zu ziehen? Diese Fragen finde ich am interessantesten. Hätte ich mir gewünscht, dass die Deutschen nach 2018 besser spielen? Ja, definitiv! Aber journalistisch das Ganze zu begleiten, ist insofern sehr spannend, als wir jetzt sehen werden, ob Lehren gezogen oder nur Worte gefallen sind.
Überrascht, dass Mats Hummels und Thomas Müller wieder mit dabei sind?
Nein, damit habe ich gerechnet.
Die Spiele markieren auch den Abschied von Joachim Löw. Wie sieht Ihr Resümee seiner Amtszeit aus?
Joachim Löw ist Weltmeister und er hat die Mannschaft lange an der Weltspitze gehalten. In den letzten Jahren hat es dann Schwierigkeiten gegeben. Wäre er besser früher gegangen? Müßig. Das sind Auf- und Abbewegungen, wie man sie grundsätzlich in jeder Gemeinschaft erlebt und ihr auch zugestehen sollte. Jetzt wird es interessant, ob so eine Abschiedsveranstaltung bei ihm und dem gesamten Team noch einmal Energie freisetzt. Da trägt jeder Spieler ja auch ein hohes Maß an Eigenverantwortung für seine Gruppe.
Sehen Sie in Hansi Flick einen würdigen Nachfolger?
Ja, Flick kann ein guter Bundestrainer sein.
Eine Mehrheit der Deutschen spricht sich für einen Boykott der WM in Katar aus. Werden Sie sich zweimal überlegen, ob Sie diese Spiele präsentieren, wenn Sie angefragt werden?
Wir haben gerade die Bundesliga inmitten von Corona beendet. Jetzt kommt ein Handball-Pokalfinale, dann kommt die EM und dann die Olympischen Spiele. Unabhängig von meinem sehr klaren Wertekanon – so weit, mir über die Katar-WM Gedanken zu machen, bin ich noch nicht.
Wie sähe eine Reform des DFB nach Alexander Bommes aus?
Wie war das mit dem Schuster und den Leisten? (lacht) Fakt ist doch eins: Wir erleben täglich, dass zwar ein Miteinander aus tiefem Herzen gewünscht wird, um am Ende aber wieder total erschöpft festzustellen, dass das Gegenteil gelebt wurde. Eine Konzentration darauf, welche "Tools" für das Gute nötig sind, würde bestimmt mehr helfen als der nächste Holzhammer.
Glauben Sie, dass die Corona-Krise zumindest Zweifel an einer weiteren Kommerzialisierung des Fußballs geschürt hat oder dass nach ihrem Ende wieder alles wie vorher laufen wird?
Das kann ich nicht absehen. Die Super League war ja schon mal ein Tick zu viel des Zumutbaren. Grundsätzlich steht es ja jedem frei, sich von etwas zu lösen, wenn man immer weniger Übereinstimmungen mit den eigenen Werten feststellt. Aber das macht man ja nicht mal eben so. Schon gar nicht, wenn es um Fußball geht, der ja auch vom Engagement der Fans lebt.
Bekommen Sie nach Sportübertragungen Hassmails?
Kann sein. Aber ich bin nicht so für Hass (lacht).
Sie sind im Studio ungemein schlagfertig. Fällt Ihnen im normalen Leben die passende Antwort auf eine dumme Anmache auch erst hinterher ein, so wie dem Normalbürger?
Klassische Juristenantwort: Kommt darauf an. Ich habe nicht in allen Bereichen jederzeit die passende Antwort. Gerade letztens: Ich bin klassisch eingeparkt worden. Null Fehlerbewusstsein auf der anderen Seite. Ich finde im Nachhinein, ich habe viel zu verständnisvoll reagiert …
Sie haben Jura studiert. Glauben Sie, dass Sie auf diesem Feld glücklich hätten werden können?
Bestimmt. Aber es gibt nun mal so viele Biegungen im Leben. Und dann habe ich Entscheidungen getroffen. Im Profisport bleiben? Weiter Jura oder Journalismus? Sport und Quiz oder doch Politik? Mein Leben hätte häufig eine andere Wendung nehmen können. Mit dem jetzigen bin ich aber sehr zufrieden. Es hätte in Summe nicht viel besser werden können.



