Plötzlich auf der Straße

Eine Ehrenamtliche erzählt von der Arbeit im Heidelberger Wichernheim

Jeder kann in so eine Situation geraten - Es kommen immer mehr junge Menschen

31.01.2019 UPDATE: 01.02.2019 06:00 Uhr 58 Sekunden

Selina Bührer. F: privat

Von Benjamin Miltner

Heidelberg. Es kann jeden treffen. Das ist das Wesentliche, was Selina Bührer aus ihrer Arbeit im Wichernheim verinnerlicht hat. Seit Juni 2017 engagiert sich die 25-jährige Studentin der Sozialen Arbeit in der evangelischen Stadtmission in Heidelberg, einer wenn nicht der Anlaufstelle für Obdachlose in der Stadt. Inmitten der Heidelberger Innenstadt umgeben von Sehenswürdigkeiten und Konsumtempeln wird hier seit 40 Jahren Menschen in Not geholfen. "Es kommen immer mehr Menschen in meinem Alter dazu. Der Jüngste war 18", erinnert sich Selina. Obdachlose sind stets alleinstehende ältere Herren - dieses Bild sei definitiv veraltet.

Was bietet die Einrichtung? "Hier geht es menschlich zu, es herrscht eine familiäre Atmosphäre", erzählt die Master-Studentin, die aktuell in Innsbruck lebt, von ihren Erfahrungen als Praktikantin und Ehrenamtliche. "Die Menschen sind sehr dankbar für die Hilfe", sagt sie. Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen, Begleitung bei Arztbesuchen und beim Einkaufen. Unterstützung im Alltag eben.

Aber Selina gibt auch Halt bei persönlichen Dingen. Im Rahmen ihres Studiums hat sie zehn wohnungslose Heidelberger interviewt, fotografiert, porträtiert und als Projekt unter dem Titel "Gesehen werden" ausgestellt. "Man hat gemerkt, dass diese Menschen lange niemanden hatten, der ihnen ausführlich zugehört und nachgefragt hat", meint sie.

Die Lebensgeschichten bedrücken und beeindrucken. Ein Mann, dem bei einem Autounfall Eltern, Frau und Kinder entrissen wurden. Ein anderer, dessen Liebe seines Lebens aus dem Nichts aus seinem Leben verschwand. Schicksale, die haften bleiben. "Das holt einen auf den Boden der Tatsachen zurück", weiß Selina. Verlust von Partner, Freund, Arbeit, Wohnung: "Jeder kann in so eine Situation geraten."

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