Die globalen Herausforderungen sind riesig
Direkt vor unserer Haustür engagieren sich schon viele

Von Ute Teubner

Die Kinderversteherin
Barfuß im Bach stehen, den Matsch zwischen den Zehen spüren, draußen sein und die Welt entdecken - das macht Kinder glücklich und darauf sollten sie ein Grundrecht haben, findet Brigitte Heinz. "Doch das ist heutzutage schwer." Die Geschäftsführerin der BUND-Kreisgruppe Heidelberg kennt Grundschüler, "die noch nie im Wald waren". Vielleicht, weil die Konkurrenz von Smartphone und Konsole übermächtig ist, vielleicht auch, weil die Eltern einfach zu viel Angst vor Zecken haben. Selbstverordneter "Stubenarrest" also. Dabei sei doch der Aufenthalt an der frischen Luft, insbesondere im Wald, bekanntermaßen wichtig fürs Immunsystem und Wohlbefinden. Ebenso wie die körperliche Bewegung und der Spaß, den Kinder am Spiel im Freien haben. Das weiß Brigitte Heinz aus eigener Erfahrung: "Ich war selbst immer ein echtes Naturmädchen." In der Erde buddeln, Lager und Staudämme bauen, Käfer und Kaulquappen beobachten - "so lernen Kinder, wie faszinierend und schützenswert die Natur ist", sagt die Biologin und Fledermausexpertin.
All das und noch viel mehr können kleine Abenteurer und Forscher ab sechs Jahren bei der BUND-Kindergruppe tun, für die Brigitte Heinz seit gut 20 Jahren zuständig ist. Einmal im Monat wird auf dem Gelände des Jugendhofs in den Hangäckerhöfen in Heidelberg-Rohrbach getobt, gematscht und gewerkelt, die Kinder bauen Igelhotels, stellen Apfelchips her oder legen Wiesen an. Manchmal geht’s auch auf Exkursion, etwa zu den Bibern an den Altneckar. "Alle sind dann immer ganz glücklich", strahlt Brigitte Heinz, auf die die Freude sichtlich überschwappt, wenn sie ihr Ziel erreicht hat: "Ich will die Kinder für die Natur begeistern und für Umweltthemen sensibilisieren. Es geht darum, die Sinne zu schärfen, Zusammenhänge zu erkennen und insgesamt achtsamer zu werden." Denn: "Die Kinder sind die Zukunft!"
> www.bund-heidelberg.de/aktivitaeten/ projekte/bund_kinder/
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Die Bienenretter
Frauenweiler "bient auf". Und das sehr erfolgreich seit eineinhalb Jahren. Damals starteten Tanja und Torsten Fritz die Aktion zum Schutz der Wildbienen in dem Wieslocher Stadtteil, die dort im Wortsinn umgehend auf fruchtbaren Boden fiel: Mittlerweile beteiligen sich zahlreiche Familien und Privatleute in Frauenweiler an der Initiative wider das Insektensterben, Grundschule und Kindergarten, freiwillige Feuerwehr, Kirchengemeinden und Altenheim haben sich eingeklinkt. "Überall ist sichtbar, dass sich etwas tut", ist Torsten Fritz vom Engagement der Frauenweiler Bürger begeistert. Und auch seine Frau freut sich: "Ja, allerorten blüht und summt es hier."
"Wir wollten nicht auf die große Politik warten, sondern aufzeigen, was jeder vor der eigenen Haustür machen kann", erklären Tanja und Torsten Fritz die Beweggründe für ihre Initiative. Dabei ist die Grundidee des Projekts bestechend einfach: Es gilt, wilde Blumen zu säen, um so das Nahrungsangebot für Biene, Hummel und Co. zu verbessern und dem drastischen Insektenschwund etwas entgegenzusetzen. Also lautet die Devise: Duftnessel und Königskerze, Katzen-Minze und Mauerpfeffer, Kornblume und Klatschmohn anpflanzen, um den Wildbienen und ihren Gefährten in Vorgärten, Balkonkübeln und öffentlichen Beeten ein nektarreiches Schlaraffenland zu bieten. "Es gibt keinen erhobenen Zeigefinger - jeder soll Spaß an der Aktion haben und keiner muss gleich seinen ganzen Garten umgestalten", macht Tanja Fritz klar. Wer mitmacht, darf ein hübsch gestaltetes Hinweisschild sein Eigen nennen, das signalisiert: Hier ist "Our place to bee" und "Wir sind dabei!"
In Frauenweiler haben nun schon weit über 70 dieser Schilder ihren Platz in Beet und Garten gefunden. Auch selbst gebaute Insektenhotel-Regale hat die Initiative "Frauenweiler bient auf" inzwischen im Ort aufgestellt. Torsten Fritz verspricht: "Wir bleiben aktiv." Denn: "Auch wenn wir damit nicht die Welt retten, ist es vielleicht ein erster Schritt in die richtige Richtung."
> www.frauenweilerbientauf.jimdo.com

Die Kunstbotschafterin
Kunst und Natur gehören für Caroline Laengerer zusammen. Von klein auf. Kein Wunder: Urgroßvater und Großvater waren Bildhauer, die Eltern Gründungsmitglieder der Grünen und der Ehemann ist Gärtner. Über ihn hat die Heidelberger Künstlerin auch stets den direkten Zugang zu den Naturmaterialien, die sie in ihren Bildern und Objekten verarbeitet. So die Berge von Knöterich, die ihr Mann eigentlich entsorgen wollte - und die letztlich zur begehbaren Kugel verarbeitet wurden, für die Caroline Laengerer dann den Kunstpreis Schlosspark Köln-Stammheim erhielt. "Ich schaffe Kunst, weil es mir ein Bedürfnis ist, ohne Kunst könnte ich gar nicht leben", sagt sie, die Malerei an der Kunstschule Mannheim/Rödel und Bildhauerei an der Europa-Akademie der Musischen und Bildenden Künste in ihrem Geburtsort Isny studierte. Und: "Thema, Motiv und meistens auch das Material nehme ich aus der Natur, die es zu schützen gilt, weil wir ihr unsere Existenz verdanken und doch auch selbst ein Teil der Natur sind."
Caroline Laengerer stellt ihre Kunst in die Natur und bringt in der Natur Gefundenes in Galerie und Museum. Objekte wie Schwemmholz und "Urlaubssand" aus den unterschiedlichsten Ecken der Erde ordnet sie einem der Natur entsprechenden Rhythmus von Werden und Vergehen an: Strudel, Spiralen, Wellen, Waben, Zellen - und Ringe, die im Kontext mit dem berühmten Rilke-Gedicht stehen. Die Entfremdung des Menschen von der Natur, die in deren Zerstörung gipfelt, wird insbesondere in den neueren Werken der Künstlerin sichtbar: "Grown" nennt Laengerer ihre "Porzellangewächse", aus denen Plastikkabelbinder sprießen. Hinter diesen Paper-clay-Arbeiten "verbergen sich umweltkritische Fragen nach der Bio-Diversität, Saatgutmanipulation und Mikroplastikrückständen in Gewachsenem". Auch verschiedene Installationen widmen sich dem Thema "Mensch und Umwelt". Etwa der Kronleuchter mit den Wasserflaschen, die über einer verrosteten Wanne leertropfen. Die Botschaft versteht jeder: Die Wasserressourcen sind endlich.

Der Dünenschützer
"Das hier ist ein echter Arten-Hotspot", sagt Peter Weiser und deutet vielsagend auf die Pferdstriebdüne im Süden Sandhausens. Und was aufgrund des schütteren Bewuchses zunächst verhältnismäßig unspektakulär aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als kleines Paradies: Hier tummeln sich Kreiselwespe und Ameisenlöwe, Heideschnecke und Sandstrohblumeneulchen, ein besonders seltener Schmetterling. Natternkopf und kugelköpfiger Lauch, Felsenfetthenne und scharfer Mauerpfeffer - Pflanzen, wie es sie heutzutage nur noch in Osteuropa gibt - haben in dem nährstoffreichen, kalkhaltigen Sandboden Wurzeln geschlagen, in dem sich auch eine echte botanische Rarität wohlfühlt: die Sand-Silberscharte (auch Sand-Bisamdistel genannt) - sie ist das Wahrzeichen der Sandhäuser Dünen.
"Hier wachsen nur ,Spezialisten‘", erklärt der promovierte Biologe Weiser, Dünen-Experte und seit 2014 Naturschutzwart. An die 3000 Arten an Insekten, Vögeln, Pflanzen und Pilzen gebe es in den bis zu acht Meter hohen Binnendünen Sandhausens, die eine Gesamtfläche von knapp 40 Hektar bedecken. Die etwa 10.000 bis 15.000 Jahre alten Dünen entstanden gegen Ende der letzten Eiszeit als Sandablagerungen des Rheins. Doch seit wenigen Jahrzehnten sind sie aufgrund des Klimawandels massiven Veränderungen unterlegen: "Es ist schwierig, den ursprünglichen Charakter der Dünen zu erhalten", beklagt Peter Weiser. "Die heimische Dünenflora ist stark gefährdet." Der Fachmann sieht die Biodiversität bedroht. "Da-bei ist doch die Artenvielfalt das Tollste, was es auf unserem Planeten gibt. Und der Mensch ist abhängig von ihr." Er warnt: "Eine weitere Naturzerstörung wäre fatal. Wir sägen gerade an dem Ast, auf dem wir leben, und müssen daher schnellstmöglich unser Verhalten ändern!" Eine Botschaft, die Naturschutzwart Peter Weiser regelmäßig auch bei seinen Vorträgen und Exkursionen, die er für die VHS und den Naturschutzbund (Nabu) durch die Sandhäuser Dünen unternimmt, weiterträgt.

Die Zukunftserklärerin
"Die Lage ist sehr, sehr ernst", gibt Nadine Gronewold zu bedenken, "daher muss jeder von uns schauen, wie er im Umweltschutz aktiv werden kann." Die junge Psychologin, die gerade an der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik in Heidelberg promoviert, fährt zum Beispiel täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit – sie wohnt in Mannheim. Doch nicht nur das: Die Wissenschaftlerin hat sich auch den "Scientists for Future" (S4F) angeschlossen. Sie ist der Meinung: "Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung, der wir gerecht werden müssen."
Seit März erhalten die "Fridays-for-Future"-Proteste der Schüler Unterstützung aus der Wissenschaft. Die Forscher – mittlerweile sind es viele tausende – stellen sich hinter das Anliegen der junge Leute, die für den Klimaschutz auf die Straße gehen. Tenor: Die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz reichen bei Weitem nicht aus. Das finden auch Nadine Gronewold und ihre rund 50 Mitstreiter, die in der von den beiden angehenden Biotechnologen Simon Wengert und Celina Geiß gegründeten Heidelberger S4F-Ortsgruppe aktiv sind. Doch was tun? Gronewold zählt auf: "Wir üben den interdisziplinären Schulterschluss, vernetzen uns mit der lokalen Wissenschaftswelt und klinken uns mit fundierten Informationen in die Debatte ein, die oft populistisch geführt wird." Aktionen wie der S4F-Faktencheck oder "Ring-a-Scientist", wobei Schulklassen via Videokonferenz mit Wissenschaftlern in Kontakt treten können, sollen aufklären und Umweltfragen aus erster Hand beantworten. Und natürlich unterstützen die "Scientists for Future" auch nach wie vor immer wieder freitags die Schülerproteste. "Das ist eine fruchtbare Zusammenarbeit", sagt Nadine Gronewold. Die Psychologin schmunzelt: "Die Schüler haben uns Wissenschaftler bewegt!"
Die Heidelberger S4F-Gruppe trifft sich alle zwei Wochen mittwochabends im Neuenheimer Feld. Willkommen ist jeder mit wissenschaftlichem Hintergrund.
> www.scientists4future.org/mitmachen/ thematische-arbeitsgruppen/



