ARD-Krimi

Warum sich der neue Frankfurt-Tatort auf alle Fälle lohnt

Ein LSD-Trip endet fatal und die Tatort-Kommissare geraten in eine Falle. Der Regisseur ist ein Heidelberger.

15.10.2022 UPDATE: 16.10.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden
Starker Auftritt: Martin Wuttke war mal Tatort-Kommissar und spielt in Frankfurt nun den Hauptverdächtigen; einen dämonischen Erforscher menschlicher Abgründe. Foto: HR

Von Alex Wenisch

Frankfurt. "Wenn du stirbst bevor du stirbst, stirbst du nicht, wenn du stirbst" – nur eine der vielen "Lebensweisheiten", die Adrian Goser (Martin Wuttke), eine Koryphäe der Psycholyse, so drauf hat. Damit schart er im neuen Frankfurter Tatort "Leben Tod Ekstase" seine Jünger um sich, die dann aber doch ziemlich handfest das Zeitliche segnen.

Was ist passiert? Eine Villa am Main. Psychiater Goser veranstaltet hier für seine "Patienten" eine Party. Seine Theorie: mithilfe psychedelischer Drogen lassen sich Traumata bewältigen und die absolute Selbsterkenntnis erreichen. Leider artet der LSD-Trip aus und am Ende sind sechs Menschen tot. Kommissar Brix versucht dem Arzt die Augen zu öffnen: "Ihnen ist schon klar, dass Sie eine ziemlich miese Bilanz haben als Psychiater? Alle Ihre Patienten waren auf einem ‚guten Weg. Jetzt sind alle tot."

Worum geht es wirklich? Um Freiheit. Goser will seine Patienten, die er als Familie, als Freunde bezeichnet, von inneren Zwängen befreien. Er selbst sitzt nach dem LSD-Eklat im Knast und hält sich einen Spatz, den er liebevoll pflegt. "Man sagt ja, Vögel wären frei. Aber welche Art von Freiheit soll das sein? Die haben gar keine Kapazität für Freiheit – ihr Bewusstsein ist viel zu klein!" Und später geraten die Kommissare in eine böse Falle.

Wie schlagen sich die Kommissare? Der handfeste Paul Brix (Wolfram Koch), der sich mit Kollegin Anna Janneke (Margarita Broich) in vorangegangenen Fällen schon mal gepflegt die Kante gegeben hat, mag der frustbewältigenden Wirkung des Alkohols vertrauen. Gosers Traumatheorie hält er für ziemlichen Blödsinn. Und weil Janneke dem Ganzen schon interessierter gegenübersteht, kommt es zu negativen Schwingungen zwischen den beiden.

Was ist die Stärke dieser Tatort-Folge? Die kammerspielartige Inszenierung – der Hauptteil des Films spielt in der Villa – erzeugt eine sehr dichte Atmosphäre. Quasi als Konfrontationstherapie begehen Brix und Janneke mit ihrem Verdächtigen den Tatort. In Rückblicken erfährt man vom Innenleben der Gruppe. Und dann sitzen die Ermittler und ihr Verdächtiger plötzlich in der Falle: Eine unbekannte Person verriegelt alle Zugänge zur Villa, ein Störsender legt das Funksignal lahm, ein erster Schuss fällt. Die sechs Toten der ersten Minuten dieses Tatorts werden nicht die letzten bleiben. Herausragend auch Wuttke, der den Psychiater mal als zynischen, mal als leicht dämonischen Erforscher menschlicher Abgründe spielt. Sehr witzig ist auch Gosers Faible für Schwarzenegger-Filme, aus denen er ganze Psychogramme erstellt. Beim "Tatort" ist Wuttke im Übrigen kein Unbekannter: 2008 bis 2015 ermittelte er in Leipzig als Kommissar Andreas Keppler mit Simone Thomalla. Privat waren Wuttke und Margarita Broich lange ein Paar; die beiden haben zwei Söhne.

Was sind die Schwächen? Für schwache Gemüter vielleicht am Ende ein paar Leichen zu viel und etwas zu viel Blut.

Und sonst? Regie führte Nikias Chryssos. Der 44-Jährige ist in Heidelberg aufgewachsen, hat 1998 am Helmholtz-Gymnasium Abitur und an der Uni-Frauenklinik Zivildienst gemacht.

Was kann man von diesem Tatort fürs Leben lernen? "Jesus war der Begründer eines ekstatischen Pilzkults." (Kommissarin Janneke)

Sonntag, 20.15 Uhr, lohnt es sich einzuschalten? Auf alle Fälle – schon allein wegen Wuttkes Schauspiel.