ARD-Krimi

Darum sollten Sie den spannenden Ballauf und Schenk-Tatort sehen

Der Kölner Tatort blickt auf die dunkle Seite des vermeintlichen Zusammenhalts im "Veedel".

01.01.2023 UPDATE: 01.01.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 49 Sekunden
Familien-Drama: Freddy Schenk gerät über den Fall mit seiner Tochter aneinander. Kollege Max Ballauf sieht es mit wenig Begeisterung. Foto: WDR/ARD

Von Daniel Bräuer

Köln. Erst zwei Monate ist die Jubiläumsfolge des Kölner Tatorts her. Jetzt sind Freddy Schenk und Max Ballauf schon wieder im Einsatz und stoßen in "Schutzmaßnahmen" auf mafiöse Strukturen.

Was ist passiert? Während eines Neonaziaufmarschs geht das persische Restaurant "Wunderlampe" in Flammen auf. In der Ruine liegt ein Toter. Offenbar handelt es sich um den Brandstifter: Nico Raschke, vorbestrafter Hooligan – und hinterrücks erschlagen. Hinter dem stumpfen Brandanschlag muss also mehr stecken. Nicos Vater, Feinkostgroßhändler Viktor (stark: Manfred Zapatka), ist so etwas wie der Pate der Nachbarschaft. Pikant: Betreiber der Wunderlampe sind Karim Farooq (Timur Isik) und seine Freundin Sonja Schenk – Tochter von Hauptkommissar Freddy... Und bald wird klar, dass die ihrem Vater längst nicht immer die Wahrheit sagt.

Worum geht es wirklich? Um Familie. Um Vertrauen und Zusammenhalt zwischen Vätern, Söhnen und Töchtern. "Wann kriegt in dieser Familie endlich mal einer den Mund auf?", entfährt es Schenk.

Wie schlagen sich die Ermittler? Seinen vergeblichen Verfolgungssprint bringt Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) früh hinter sich – später macht er beim Alpha-Männchen-Duell mit Nicos Bruder auf dem Basketballcourt im Wortsinn Punkte. Und er behält den nüchternen Überblick, während Schenk (Dietmar Bär) als Star dieser Folge den familiären Reflexen nachgibt: Bissigkeit gegenüber dem künftigen Schwiegersohn, Beschützerinstinkt gegenüber Tochter Sonja (Natalie Spinell), Großelterntaxi für Enkelin Frida – bis zur Wiederbeschaffung des von der Klassenzicke "gezockten" Handys. Hinter dem mitfühlenden, aufopferungsvollen Einsatz steckt aber auch die Erkenntnis, dass er von seinen "Mädchen" schon lange keine Ahnung mehr hat.

Was ist die Stärke dieser Tatort-Folge? Keine Großstadt hält das Klischee vom gut nachbarschaftlichen Viertel so penetrant hoch, oder besingt es sogar, wie Köln. Dieser Tatort setzt dem Klischee – wie im Dorf, jeder kennt jeden, jeder hilft jedem – ein negatives Zerrbild entgegen: In Wahrheit belügt und betrügt hier jeder jeden – selbst innerhalb der heiligen Kernfamilie. Nicht nur bei den Schenks. Und Raschke beherrscht das "Veedel" wie ein Mafiaboss: dominiert, kontrolliert, besticht, kassiert Schutzgeld und schickt im Notfall seine Schläger los. "Wir leben in dem Viertel", sagt an einer Stelle die türkischstämmige Cafébetreiberin, die sich zu den Alteingesessenen zählt, als Schenk sie zur Aussage auffordert. Es klingt wie: Wir sitzen in der Hölle fest.

Was sind die Schwächen? Angesichts der Vergehen, die die Protagonisten im Laufe von 90 Minuten auf sich laden, ist das Ende zu Friede-Freude-Eierkuchen. Auch Opa Freddy kann nicht alles regeln.

Und sonst? Im echten Leben würde hoffentlich viel früher jemand Schenk wegen Befangenheit ausbremsen – und niemand die grenzdebile TV-Schlagzeile formulieren: "Stadt Köln distanziert sich offiziell von Rechtsradikalismus".

Was kann man von diesem Tatort fürs Leben lernen? Baue keinen Molotow-Cocktail aus einer Wasserflasche, für die dein Vater den Exklusivvertrieb hat.

Neujahr, 20.15 Uhr, lohnt es sich einzuschalten? Eine spannende Milieustudie, bis in die Nebenrollen toll besetzt – ja!

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