Bachs Matthäus-Passion in der Peterskirche
Tieftrauriges im Hochsommer: Opfergang und Kreuzigung Jesu

Die Heidelberger Peterskirche. Symbolfoto: Philipp Rothe
Von Christian Kurtzahn
Heidelberg. Wie subtil erdacht! Bernd Stegmann, Rektor der Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg und Spiritus rector der Aufführung des Bachschen Karfreitagswerks, konfrontiert uns in der Peterskirche mit dem Opfergang Jesu, irritiert uns, rührt uns an und zieht uns hinein in das tragische Geschehen der Kreuzigung. Und wir folgen atemlos, sind sogleich mittendrin und rufen und fragen mit dem Chor: "Wen? wie?, was? wohin?"
"Was uns bewegt" lautet das Thema der diesjährigen "Heidelberger Summer School zu Musik und Religion", in deren Rahmen die Matthäus-Passion gespielt wurde. Ergriffen hören wir auf das "Kommt" und das drängende "Sehet" des wogenden doppelchörigen Exordiums, und wir sind eingeladen zur gemeinsamen Klage über das Drama, das sich in fünf Akten entwickelt, sie stehen für die fünf Stationen des Leidensweges Jesu.
Sehr beeindruckend wirkt die Interpretation. Unter dem souveränen Dirigat Stegmanns erheben sich die Stimmen des Badischen Kammerchores, der Heidelberger Kantorei, der Hochschule für Kirchenmusik und nicht zuletzt des Mädchenchores Dilsberg.
Gerade die jungen Stimmen sind es, die mit ihrer Klarheit den Zustand vor dem Sündenfall symbolisieren. Welch ein konzeptioneller Kunstgriff! Schade nur, dass wir sie im zweiten Teil der Passion vermissen müssen. Eine Übernahme wenigstens einer Choralstrophe hätte einen weiteren Aufführungshöhepunkt bedeutet. Prachtvoll auch die Erwachsenenchöre. Sie malen mit Tönen zischende Blitze und Donnergrollen, rufen dissonant-akkordisch "Barrabam".
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Zu den herausragenden Solisten zählt der Tenor Hans-Jörg Mammel, dem die anspruchsvolle Aufgabe zukommt, der Evangelisten-Erzählung Ausdruck zu verleihen. Er tut dies mit feiner Stimmgebung und Emphase. Peter Kooij verkörpert mit seiner wohlklingenden Bassstimme gut den edel-menschlichen Jesus.
Nicht nur in der Arie "Mache dich, mein Herze, rein" zeigt sich Matthias Horns feine Sangesfähigkeit: Sein volltönender Bass ist einfühlsam und spiegelt die innere Bewegung wider; ganz anders dagegen Horn als Pilatus: Hier ist er bestimmt, aufgeregt, aufgebracht und ganz dem Musiktheater verpflichtet.
Jan Börner elektrisiert mit seinem mühelosen Singen. Sein Altus ist hell, transparent und dadurch absolut verständlich. Im Duett "So ist mein Jesus nun gefangen" mit der Sopranistin Carmen Buchert, die ihre Partie in höchster Innerlichkeit erklingen lässt, verschmelzen beide Stimmen und erheben die Musik in eine Mondlichtsphäre.
All dem ist L’arpa festante als Orchester beigegeben, das, der historischen Aufführungspraxis verpflichtet, auf ausgewähltem Instrumentarium den Originalklang aufleben lässt. Darüber hinaus akkompagnieren die unerschiedlichen Soloinstrumente, die feinen Bläser, die Viola da Gamba, die mit hart gespanntem Bogen gespielte Violine, um nur einige zu nennen: "Das gehet ... der Seele nah." Stehend dankt das Publikum allen Ausführenden, insbesondere Bernd Stegmann.