Plus Volksfest-Bann

Deutschland hat ’ne Debatte – und die heißt "Layla"

Wegen fragwürdiger Zeilen steht der Partysong "Layla" in der Kritik. Eine Musikwissenschaftlerin beleuchtet, was man bei der Debatte beachten sollte.

17.07.2022 UPDATE: 17.07.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 10 Sekunden
Sexistische Inhalte sind bei Ballermann-Hits keine Seltenheit. Foto: dpa

Von Julia Kilian

Für das Experiment muss man sich vielleicht ein Bier aufmachen. Wenn man herausfinden will, wie Ballermann-Hits funktionieren, kann man verschiedene Playlists durchhören. Eines der Lieder darauf sorgt gerade für hitzige Debatten: "Layla" soll auf einem Volksfest in Würzburg nicht mehr gespielt werden. Auch auf der Düsseldorfer Kirmes werden Bedenken geäußert. Grund ist der Text: "Ich hab’ ’n Puff – und meine Puffmama heißt Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler." Wie steht es also um deutschsprachige Partysongs? Hat die Szene ein Problem?

Hört man sich durch die Playlists, findet man Lieder, zu denen selbst Politiker schon getanzt haben ("Mach den Hub Hub Hub; Mach den Schrauber, Schrauber, Schrauber; Mach den Helikopter 117 ..."). Mickie Krause sieht in "Eine Woche wach" die Sonne über Malle aufgehen. Und gut mitgrölen ließe sich vermutlich auch "Der Zug hat keine Bremse": "Döp, döö-döö-döö-dööp".

Es gibt Songs mit inspirierenden Titeln wie "Saufi saufi" ("Ich feier’ richtig hart, ich bin ein Saufautomat"). Alkohol ist ohnehin ein wiederkehrendes Motiv. Aufgegriffen etwa in "Dicht im Flieger": "Und ich sitz schon wieder dicht in ’nem Flieger. Alles egal, denn mein Kopf macht nur La – Lalalala ..." Menschen, die den Karneval oder die Kirmes mögen, kennen diesen Zustand wahrscheinlich. Andere rollen schon beim Gedanken an diese Art Musik mit den Augen. Partyhits sind ein umstrittenes Phänomen. Warum ist nun ausgerechnet "Layla" von DJ Robin & Schürze auf dem ersten Platz der deutschen Charts gelandet? Die Musikwissenschaftlerin Marina Forell hat sich das ehrlich gesagt auch gefragt. Sie hat an der Universität Leipzig zur Schlagerwelt geforscht und ist Herausgeberin des Buchs "Das verdächtig Populäre in der Musik: Warum wir mögen, wofür wir uns schämen".

"Layla" sei ein moderner Song, ansprechend produziert. "Als ich ihn zum ersten Mal gehört habe, dachte ich noch: ,Oh, das könnte was sein‘", meint Forell. Der positive Eindruck sei aber schnell verflogen, als der Gesang einsetzte. Trotzdem hat Forell nach eigenen Worten immer noch einen Ohrwurm. Vielleicht ja das Erfolgsrezept. Haben Menschen nach den Pandemiejahren einfach Lust auf eingängige Partymusik?

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Über den Text allerdings wird seit einigen Tagen heftig diskutiert. Würzburg hat das Abspielen von "Layla" auf dem Kiliani-Volksfest untersagt. Und auf der Düsseldorfer Kirmes haben die Schützen das Lied als Veranstalter in ihrem Festzelt verboten. Sie legten weiteren Betreibern nahe, das Lied ebenfalls nicht zu spielen. Manche fragen: Ist der Text wirklich so schlimm? Andere finden die Antwort eindeutig. "Ich finde den Song extrem sexistisch", betont Marina Forell. Die besungene Frau werde auf ihren Körper reduziert. Zudem werde Prostitution als Lifestyle abgefeiert, dabei habe sie bekanntermaßen ihre Schattenseiten.

Wenn man sich weiter durch die Partyhits hört, findet man auch Lieder wie "Beate, die Harte" oder "Anna-Lena" ("Geiler Arsch, geiler Blick, geiles Stück"). Gibt es sexistische Textzeilen also öfter? "Ja, der Eindruck ist richtig", bestätigt Forell. Viele Songs drehten sich ums Saufen und ums Urlaubmachen. Aber es gebe eben auch eindeutig sexistische Hits wie "Dicke Titten, Kartoffelsalat" – ein Lied von Ikke Hüftgold, der eigentlich Matthias Distel heißt. Seine Plattenfirma hat auch "Layla" veröffentlicht. Online wirbt er nun für die Petition #freelayla. Im Begleittext heißt es: "Gegen Zensur! Für ein Leben nach Corona! Für künstlerische Freiheit!" Tausende haben online bereits unterzeichnet.

Musikwissenschaftlerin Forell wundert sich, dass hier mit der Kunstfreiheit argumentiert wird. "Meiner Meinung nach ist es nicht Cancel Culture, wenn man versucht, 50 Prozent der Menschheit mit Respekt zu behandeln und nicht wie ein Stück Fleisch!" Der Song sei nicht allgemein verboten. Privat und auf Mallorca könne ihn nach wie vor jeder anhören. Das Lied werde nur in einigen Kontexten nicht mehr gespielt.

Über das Argument, dass es im Rap mitunter schlimmere Zeilen gebe, hat Forell auch schon nachgedacht. Ein Unterschied sei, wie die Musik genutzt werde. Rapmusik mit krassen Texten habe nicht so viel Airplay. Es sei ein Unterschied, ob man Musik in einer kleinen Gruppe hört. Oder ob man damit Tausende Menschen auf einem Volksfest beschallt. Wo dann auch Frauen seien, die sich in einer aufgeheizten, alkoholisierten Atmosphäre und bei einem solchen Song, den Männer mitgrölen, unwohl fühlen könnten. Sie findet die Entscheidungen in Würzburg und Düsseldorf jedenfalls richtig.

Fragt man Forell, warum Menschen solche Songs überhaupt mögen, dann erinnert sie an deren Kontext. Der primäre Verwendungszweck sei beim Après-Ski, beim Karneval, auf Mallorca. Gerade der Urlaub am Ballermann sei für viele bewusst gebuchter Exzess. Dort sei eine Art Erlebnisraum entstanden. Man schlage über die Stränge, die Regeln des Alltags zählten nicht mehr. Und ja: Auch der gute Geschmack werde zu Hause gelassen.

In der Schlagerwelt beobachtet Forell aber auch eine gegenläufige Entwicklung. So gebe es im Popschlager immer mehr feministische Songs, etwa "Die Erste deiner Art" von Helene Fischer oder "Anders ist gut" von Michelle.

Dass es übrigens auch am Ballermann nicht nur kontrovers zugeht, zeigt einer der Überraschungshits in diesem Jahr – ein Remix von "Wir sagen Danke schön" der Flippers. Darin heißt es vergleichsweise unverfänglich: "Liebe ist, wenn man sich zärtlich küsst."

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