Für Elias Grandy ist Heidelberg "der SC Freiburg unter den Orchestern"
Nach acht Jahren verabschiedet sich Grandy als Generalmusikdirektor. Im RNZ-Gespräch erklärt er, warum er seinen Vertrag nicht verlängert hat.



Ex-Generalmusikdirektor (in spe)
Von Jesper Klein
Heidelberg. Nach acht Jahren als Generalmusikdirektor nimmt Elias Grandy (geboren 1981) seinen Hut. Es zieht ihn von Heidelberg hinaus in die weite Welt. Im RNZ-Interview blickt der Dirigent zurück auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Philharmonischen Orchester – und freut sich zugleich auf Konzerte von Tokio bis Buenos Aires.
Herr Grandy, warum haben Sie nach acht Jahren in Heidelberg Ihren Vertrag nicht noch einmal verlängert?
Es ist immer eine Kombination von Dingen. Acht Jahre sind eine gute Zeit – nicht zu kurz, nicht zu lang. Ich bin stolz darauf, wie sich das Philharmonische Orchester in dieser sehr fruchtbaren Zeit entwickelt hat. Es hat sich für mich gut und richtig angefühlt, jetzt einen Punkt zu setzen. Das ermöglicht mir, neue Wege zu beschreiten und das Theater kann neue Impulse erhalten.
Wenn Sie künftig in der Welt unterwegs sind: Was erzählen Sie über Heidelberg und das Philharmonische Orchester?
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(lacht) Nur das Beste natürlich! Wir haben immer wieder Gäste, die in aller Welt unterwegs sind, viele davon kenne ich persönlich. Die Rückmeldungen, die ich erhalte, bringen eine große Begeisterung zum Ausdruck. Das Orchester verfügt über eine unglaublich hohe Musizierfreude und inzwischen auch über hohe technische Fertigkeiten. Es hat einen gesunden Geist und eine wunderbare Arbeitshaltung. Es hat Freude daran, gut und genau zu arbeiten und zugleich die Musik emotional auszuloten. Das sind Dinge, die man nicht für selbstverständlich nehmen kann für ein Orchester dieser Größenordnung. Heidelberg ist für mich der SC Freiburg unter den Orchestern. Eigentlich kleine Ressourcen, man spielt aber trotzdem von der Qualität her in einer Liga mit, in der man sich überhaupt nicht verstecken muss.
Wenn wir beim Fußball bleiben: Sie sind, analog zu Trainer Christian Streich, mit acht Jahren recht lange hier gewesen …
Im Fußball sind acht Jahre sehr lang, als Dirigent nicht so sehr.
Wenn Sie zurückblicken: Gibt es ein bestimmtes Projekt, das Sie nicht vergessen werden?
Wenn ich jetzt eines oder zwei nenne, fehlen andere. Die Liste ist lang. Es bringt ja auch nichts, wenn ich den Leuten erzähle, was toll war. Wer dabei war, der erinnert sich ohnehin.
Ich merke, Sie wollen sich ungern festlegen.
Es liegt im Wesen unserer Kunst begründet, dass immer nur der Moment zählt. Auch das ist eine Analogie zum Fußball: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Es gab viele intensive Momente im Konzert wie in der Oper, die einen wertvollen Platz in meinen Erinnerungen haben. Am Ende hat es mit den Menschen im Orchester zu tun. Es geht darum, ob man in Freiheit, Offenheit und Ehrlichkeit miteinander Musik machen kann. Das ist ein Phänomen, das man nicht planen kann. Wenn man sich gut kennt und Vertrauen da ist, gelingt es aber leichter.
Und das überträgt sich auch auf das Publikum …
Die Rückmeldungen vom Publikum bestätigen das. Sie sind ein großes Geschenk. Wir leben in einer Welt, in der Äußerlichkeiten zählen. Diese innere Verbindung, die man nicht messen kann, die aber viele wahrnehmen, hat sich über die Jahre auf die Menschen übertragen, im Konzert und in der Oper. Sie ist ein wesentlicher Teil davon, warum wir Musik machen.
Gibt es umgekehrt ein Projekt, das Sie gerne gemacht hätten, was aber nie zustande gekommen ist?
Wenn man sich das Programm anschaut, dass wir zu meinem Abschied machen, steckt dort einiges drin, was war und was hätte sein können.
Was nehmen Sie mit aus Ihrer Zeit als Heidelberger Generalmusikdirektor?
(überlegt lange) Wenn ich es noch mal machen würde: Ich glaube, ich habe ein bisschen unterschätzt, dass man den Menschen in der Stadt auch immer wieder erzählen muss, dass das, was wir hier machen, toll ist. Nicht jeder sieht es selbst. Wenn es so ruhig und gut läuft wie bei uns, vergisst man manchmal, wie viel Arbeit dahinter steckt. Das würde ich anders machen.
Zurück zu Ihren Plänen: Was haben Sie als Nächstes vor?
Ich bin froh, dass ich jetzt eine gewisse künstlerische Freiheit habe und für eine Weile nicht so stark eingebunden bin an einem deutschen Theater. Es gibt einige neuere Verbindungen zu Orchestern und es kommt auch immer wieder Neues dazu. Die Welt ist für mich im Moment glücklicherweise sehr offen. Ich freue mich, dass es mir vergönnt ist, von Tokio bis Buenos Aires an vielen Orten mit vielen tollen Orchestern zu arbeiten.
Mit dem Wechsel von einer festen Stelle zu freien Projekten ändert sich auch die Art zu leben …
In jedem Fall. Man darf nicht unterschätzen, dass man als Generalmusikdirektor immer eine Verantwortung für sein Haus hat, selbst wenn man nicht in der Stadt ist. So war ich immer in viele Prozesse involviert, in die man als GMD auch involviert sein sollte. Diese Verantwortung habe ich sehr ernst genommen. Diese Arbeitsbelastung fällt jetzt weg. Ich muss mich, wenn ich unterwegs bin, nicht mehr parallel mit Themen auseinandersetzen, die meine Position als GMD betreffen.
Gibt es im Heidelberger Musikleben irgendetwas, unabhängig von Ihrer Position als GMD, bei dem Sie sagen würden: Das fehlt der Stadt?
Ich hätte es schön gefunden, wenn wir in meiner Zeit mehr mit anderen Institutionen kooperiert hätten. Ich habe viel Respekt für das, was Thorsten Schmidt beim Heidelberger Frühling oder Dominique Mayr beim Klangforum auf die Beine stellen. Da gibt es ein sehr reiches Potenzial. Ein großes Ereignis wird natürlich die Eröffnung der Stadthalle sein. Ich wünsche dem Philharmonischen Orchester, dass es mit einer hoffentlich höheren Präsenz sein Wohnzimmer wieder in Beschlag nehmen kann, sodass die Stadthalle als zentraler Spielort des Orchesters verstärkt wahrgenommen wird.
Gibt es noch etwas, dass Sie Ihrem Publikum zum Abschied sagen möchten?
Ich möchte all den Menschen danken, die mit großer Offenheit und innerer Beteiligung die Musik zu dem machen, was sie sein soll. Musik entsteht nur im Austausch mit dem Publikum. Sie braucht ein Publikum, das auch bewegt werden will. Für dieses gemeinsame Erleben bin ich sehr dankbar.
Info: Elias Grandys Abschiedskonzerte finden im Rahmen der Schlossfestspiele an diesem Freitag und Samstag, 16. und 17. Juni, statt.