SAP Arena Mannheim

Mark Forster - der Dranbleiber des Deutsch-Pop

Mark Forster begeistert die vollgepackte SAP-Arena mit einem bunten Bühnenspektakel. Im Gegensatz zu seinen alten Kollegen ist der Pfälzer nach wie vor gefragt.

05.05.2024 UPDATE: 05.05.2024 14:00 Uhr 3 Minuten, 17 Sekunden
Einen Abend lang heile Welt: Mark Forster vor 15 000 Fans in Mannheim. Viele von ihnen sind im Grundschulalter. Foto: Justin Bässler

Von Daniel Schottmüller

Mannheim. Er lacht. Da kann der Gitarrist seine von Echo begleiteten Akkorde noch so gefühlig zupfen: Als Mark Forster in die Strophe von "Drei Uhr Nachts" einsteigen will, prustet es aus ihm raus. Der 41-Jährige probiert’s nochmal, kommt aus dem Kichern aber nicht mehr raus. Ist ja auch schräg, wenn ein für seine Bodenständigkeit bekannter Familienvater 15 000 Fans selbstmitleidig entgegenschmachtet, dass er alle Nummern in seinem Handy abtelefonieren muss, um sich von der marternden Sehnsucht abzulenken: "Du bist der Grund, warum ich wach bleib und nicht schlaf und jeder meiner Freunde grad um mich bisschen Schiss hat ..." Joah, authentisch klingt anders.

Wahrscheinlich wäre der Lachflash in der SAP-Arena deshalb die perfekte Vorlage, um den FCK-Fan und Feuilleton-Feind Mark Forster noch einmal an Basecap und Hornbrille durch die Manege zu führen. Frei nach dem Motto: Der Kerl findet seine vagen Herzschmerz- und Allerweltstexte doch selber lächerlich. Man kann den "Drei Uhr Nachts"-Moment auch aber anders deuten.

Mark Cwiertnia, im 5000-Seelen-Kaff Winnweiler aufgewachsener Sohn eines deutschen Vaters und einer polnischen Mutter, nimmt sich eben nicht so ernst. In Mannheim beweist das schon der Band-Look: Mit Kappe, Stoppelbart und Brille wirken die Jungs an Keyboard, Bass, Gitarre und Schlagzeug allesamt wie ein Verschnitt ihres Arbeitgebers. Eine selbstironische Anspielung auf Forsters Everyman-Image? Auch über das Fünf-Euro-Blümchenshirt von H&M, das er damals, beim allerersten großen Solo-Gig in Bochum, getragen hat, kann der Nordpfälzer schmunzeln: "Ich hatte es auf der Hinfahrt im Sprinter an, beim Soundcheck, während des Auftritts und auf der Fahrt zurück nach Hause immer noch ..."

2014 war das. Im Sommer des WM-Triumphs glückte Forster mit "Au Revoir" der Durchbruch – vor dem Klimaabkommen von Paris, vor der Trump-Wahl, dem Brexit, der Eskalation in Syrien und natürlich vor Corona. "Mutti Merkel" regierte das Land und Tim Bendzko, Max Giesinger und Co. die Radiowellen. "Nur noch kurz die Welt retten"? Für "80 Millionen" gefühlt kein Problem! "Egal, was kommt, es wird gut, sowieso / Immer geht ’ne neue Tür auf, irgendwo / Auch wenn’s grad’ nicht so läuft, wie gewohnt / Egal, es wird gut, sowieso", versichert Forster auch an diesem Freitagabend im Rhein-Neckar-Delta. Dass er als letzter Verbliebener der Deutschpopgeneration Heile Welt immer noch die Arenen füllt, ist kein Zufall.

Bereits beim Umzug von der Provinz in die Bundeshauptstadt gelang es dem harmoniebegabten jungen Mann schnell, Verbindungen zu Szenegrößen wie Kurt Krömer oder Seeed zu knüpfen. Und bis heute zieht Forster das Collabo-Ding durch. Sido, Lea, Clueso, Anna Depenbusch, Revolverheld, Helene Fischer, Sportfreunde Stiller, Luna, Giraffenheld, Kontra K und, und, und: Was in der Poplandschaft nicht bei drei auf dem Baum ist, wird ins Studio gezerrt. Selbst wenn der Ohrwurmexperte, wie zuletzt bei "Friesenjung" Ski Aggu, hartnäckige Überzeugungsarbeit leisten muss. Ja, Mark Forster ist ein professioneller Dranbleiber, der sich für nichts zu schade ist.

Privat mit Lena Meyer-Landrut liiert, kumpelt er gerne mit Joko Winterscheidt ab (später wird der noch einen Auftritt per Videoeinspieler haben). Beide, Joko und Lena, stehen für Familienentertainment, und genau da fühlt sich auch der "The Voice Kids"-Coach aufgehoben. Seinen Fans im Arenarund – unter ihnen viele Mädchen und Jungs im Grundschulalter – verspricht er "die unglaubliche Mark Forster Arena Tour Show". 14 Laster hätten das Equipment dafür in die Quadratestadt gekarrt. Also gibt es in rascher Abfolge Landschaftsaufnahmen, Konfettiregen, einen inszenierten Stromausfall und Flammenwerfer zu bestaunen. Hinter einem Late-Night-Desk begrüßt Forster sich selbst als Gast , während ein Krokodil und unzählige "Kameramänner" umherhopsen. Auf einer weiteren Leinwand wird derweil rote Seife zerschnitten.

Aber Musik muss natürlich auch noch sein. Zu diesem Zweck kündigt Showmaster Mark einen Newcomer aus der Region an. Entert jetzt der Heidelberger La Place die Bühne, der jüngst auf Forsters  Album "Supervision" mitrappen durfte? Nö. Stattdessen: die (fiktive) Gruppe Die Jungbuschpiraten, die erneut aus dem Protagonisten selbst (dieses Mal mit umgeschnalltem E-Bass) und seiner Band besteht. Immerhin, ihr punkig-inspiriertes "Flash mich" ist neben der Slash-Gedächtnis-E-Gitarre bei "Au Revoir" der rockigste Moment des Abends.

Wer sich auf echtes Lokalkolorit gefreut hat, braucht nicht sauer sein. Soffie, in Mannheim lebende Popakademie-Studentin, die mit "Für immer Frühling" gerade landesweit für Furore sorgt, hat ja bereits im Vorprogramm eingeheizt. Während ihr Hit eine klare Botschaft gegen rechts vermittelt, versucht Forster auf andere Weise zeitgemäß zu bleiben. Ein gigantisches Werbebanner rollt herunter, als "Schwarzer Toyota", das Trap-Feature mit Ski Aggu, aus den Boxen wummert. Es folgt noch mehr Utz-Utz. Zur Verhackstückelung von Harry-Styles- und Sophie-Ellis-Bextor-Motiven zucken trashige Retro-Clips über die Leinwand. Au Backe! Forsters Versuch, sich an die Generation TikTok ranzuwanzen, nutzen einige der eigentlich so textsicheren Zuschauer für eine Klopause.

Von diesen Minuten abgesehen, bleibt die Stimmung stabil. Gerade die jungen Bewunderer sind voll da und lassen bei Pianoballaden wie "Kogong" ihre Handylichter aufflackern. Als der Sänger dann zum Ende seinen Über-Hit "Chöre" auspackt, wird’s sogar richtig beeindruckend. Wie auf Kommando spritzen die Fans in den Rängen auf. Kinder und Eltern, Freunde, Partner: Jetzt liegt sich alles in den Armen und schmettert mit. Ein erhebender Moment. Und selbst nachdem Mark Forster sich im weißen Bademantel verabschiedet hat, wird dieser Refrain sicher noch so manche Heimfahrt begleiten: "Und die Chöre sing’n für dich – Oh oh oh oh oh oh oh ..."

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