Magische Klänge und große Gefühle mit Geigerin Noa Wildschut
Beim Philharmonischen Konzert in der Stadthalle begeisterte zudem die Dirigentin Elim Chan

Die niederländische, erst 16 Jahre alte Geigerin Noa Wildschut ließ auch das Philharmonische Orchester beim Konzert in der Heidelberger Stadthalle zu Höchstform auflaufen. Foto: Sebastian Bühler
Von Simon Scherer
Heidelberg. Allein Mussorgskys "Johannisnacht" hätte einen schroffen und rauen Kontrast zum sonstigen Programm gesetzt. Es gab aber Rimski-Korsakows geglättete und wesentlich harmonischere Bearbeitung hiervon, "Eine Nacht auf dem kahlen Berge", wodurch tatsächlich das komplette 2. Philharmonische Konzert zum Wohlfühl-Abend wurde. Am Dirigentenpult stand Elim Chan, die mit enormer Anteilnahme am musikalischen Geschehen ihre vor Aufbruchsstimmung nur so brodelnde Unruhe fantastisch an das Orchester weiterreichte. Genau richtig für das Hexentreffen, das Mussorgsky hier vor Augen hat. In rasanten Tempobeschleunigungen musste Chan nur aufpassen, nicht die Kontrolle über den groß besetzten Klangkörper zu verlieren.
Gut aufgelegte Philharmoniker verloren aber auch von selbst nie den Zusammenhalt und ließen bei farbenfrohem Sound oder scharf punktierten Bläsersoli keine Wünsche offen. Gerade in Chans Temporekorden bewegten sie sich auf hohem Niveau. Lediglich dynamisch hätten sie vom üppigen Forte bisweilen ablassen können, um im subtilen Piano die Entwicklungsgänge dieses diabolischen Treibens weiter auszureizen. Besonders im Nachspann wäre statt des bisherigen Glanzes ein matterer Klang angebrachter gewesen, um in geheimnisumwitterter Erwartungshaltung eines der größten Klarinetten- und Flötensoli vorzubereiten. Einfach nicht von dieser Welt, wie weit diese magischen Melodien blicken.
Noch mehr ins romantische Schwärmen kam man in Bruchs Violinkonzert. Die erst 16-jährige Noa Wildschut erwachte aus dessen träumerischem Orchesterteppich mit äußerst gehaltvollem Ton, der sich deutlich absetzte und erst im Verlauf einer Phrase wieder abflaute. Keine schlechte Interpretationsidee. Genau wie das Orchester seine gesunde Klangsubstanz behielt, überzeugte auch die Solistin mit inbrünstiger Klangnatur, deren emotionale Seite keinesfalls zu kurz kam.
Die großen Gefühle von op. 26 wurden dementsprechend offen an den Tag gelegt. Fürs Adagio galt allerdings auch für die Solistin: Etwas Abmilderung hätte gut getan. Das Orchester war hier bereits weiter, wo leidenschaftliche Höhepunkte im Stillen wie auf der Zunge vergingen. Chan traf im Verschwinden eines Klanges exakt den richtigen Zeitpunkt, um kurz vorm Erlöschen den nächsten aufkeimen zu lassen. Nichts an Enthusiasmus schuldig blieben sie dem Finale, mit dessen Gefühlsüberschwang Wildschut auch die Zugabe musizierte: das Andante aus Bachs 2. Sonate.
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Die beste Leistung legten die Philharmoniker zweifelsohne mit Rimski-Korsakows "Scheherazade" ab: allein im Eröffnungsthema des herrlich dumpfen Blechs oder dem orientalischen Violin-Solo, für das Chan mit Konzertmeister Thierry Stöckel einen kongenialen Partner hatte. Auch was die Sensitivität zartbesaiteter Bläser-Soli anbelangt, hatte die Dirigentin tüchtig zugelegt, sodass jedes Kleinod seine exotische Aura wunderbar entfaltete. Zugleich schafften es signifikante Melodien bei aller Klangfülle immer noch einen Tick obendrüber zu thronen. So wurde munter zwischen all den Stilregionen gesprungen, wo Volkstümliches gekonnt mit tragischem Klagegesang verwoben wurde. Romantischer Schmelz kam natürlich auch nicht zu kurz. Ein absolutes Verwöhn-Programm eben.