Nachruf

Abschied von der Heidelberger Schauspielerin Tanja von Oertzen

Die Theaterfiguren gaben ihr auch Trost

25.10.2020 UPDATE: 26.10.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 23 Sekunden
Tanja von Oertzen zusammen mit Gerhard Palder in Johann Nestroys Posse „Frühere Verhältnisse“ auf der Bühne des Heidelberger Theaters. Repro: voe

Von Volker Oesterreich

Ihre klare, markante Stimme klingt einem heute noch in den Ohren. Sie konnte eine knallhart berechnende Königin Gertrud in Shakespeares "Hamlet" sein, sich aber auch voll und ganz dem Jux in Johann Nestroys Posse "Frühere Verhältnisse" hingeben. Hier wie da überzeugte Tanja von Oertzen das Heidelberger Publikum durch ihre starke Bühnenpräsenz.

Während der Ära des früheren Intendanten Günther Beelitz gehörte sie zu den Größen des hiesigen Ensembles. Nach dem Intendantenwechsel von Beelitz zu Peter Spuhler zog sie im Jahr 2005 weiter zu Klaus Weise ans Schauspielhaus Bonn, der Stadt am Neckar hielt sie aber trotzdem die Treue. Bis zuletzt. Wie am Wochenende bekannt wurde, ist die Schauspielerin am 16. Oktober im Alter von 70 Jahren in Heidelberg gestorben. Die Welt des Theaters verliert mit Tanja von Oertzen eine dynamische, charakterstarke, prägnante und äußerst wandlungsfähige Künstlerpersönlichkeit.

Geboren wurde sie am 27. Januar 1950 in Moskau. Früh schon fand sie den Weg zur Bühne und zum Film. Nach ihrem Abitur wollte sie zunächst Tänzerin werden und begann in den 1970er Jahren eine Ausbildung beim legendären Stuttgarter Choreografen John Cranko, bald darauf wechselte sie aber an die Schauspielschule. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt lernte sie den damaligen Intendanten Peter Palitzsch (1918-2004) kennen, 1974 heiratete sie den 32 Jahre älteren Brecht-Schüler, der zu den bedeutendsten Regisseuren seiner Generation gehörte. Die Wege des ungleichen Paars trennten sich zwar wieder, aber dennoch blieben sie in gegenseitigem Respekt miteinander verbunden.

Düsseldorf und Frankfurt gehörten zu Tanja von Oertzens weiteren Etappen. Am Schauspielhaus in Bonn spielte sie in Ödön von Horváths "Geschichten aus dem Wienerwald" genauso wie in kleinen Einaktern des jungen Dramatikers Philipp Löhle oder in der Dramatisierung von Wolfgang Koeppens Roman "Das Treibhaus". Zu sehen war sie auch im "Tatort", in Hans Neuenfels’ TV-Film "Europa und der zweite Apfel" und zuletzt in Lisa Charlotte Friedrichs Spielfilm "Live", der Anfang des Jahres in die Kinos kam. Wichtiger als die Arbeit vor der Kamera war Tanja von Oertzen aber die Bühnenluft und die Auseinandersetzung mit ganz unterschiedlichen Rollenangeboten: "In den Theaterfiguren", sagte sie einmal, "findest Du immer Freunde, die ähnlich fühlen wie Du. Das gibt doch auch Trost. Man ist nicht mehr so allein."

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