Für Konstantin Wecker sind Träume verwirklichbar
Den Menschen Mut machen, zu sich selbst zu stehen, will Konstantin Wecker mit "Utopia 2.0" im Rosengarten. Das Konzert ist ausverkauft, aber es gibt etwa 30 Sozialtickets.



Liedermacher
Mannheim. Seit einem halben Jahrhundert träumt Liedermacher Konstantin Wecker von einem herrschaftsfreien Leben und will seinem Publikum Mut und Hoffnung geben. Der Traum geht weiter: "Utopia" geht in die Version "2.0". Welche Vorstellungen, Wünsche und Sehnsüchte er damit verbindet, verriet der Liedermacher vorab Peter Wiest.
Herr Wecker, bis Ende Dezember sind Sie mit Ihrem neuen Programm "Utopia 2.0" auf Tournee. Sind denn einige Utopien aus Ihrem ersten Programm mittlerweile Wirklichkeit geworden? Oder werden wir weiterhin nur "weiter träumen" wie es in der Unterzeile des Programms heißt?
Ich denke, es ist einiges insofern Wirklichkeit geworden, als ich immer mehr merke, dass die Kunst Mut machen kann, zu sich selbst zu stehen. Als Künstler ist es heute wichtiger denn je, engagiert tätig zu sein, weil ich merke, wie die Menschen zerrissener sind denn je. Nach meinen Konzerten sagen sie mir oft, dass ich ihnen Mut gemacht habe und sie sich jetzt ganz bestimmt nicht von ihrem Weg abbringen lassen werden. Und das ist schließlich das Entscheidende: Zu sich selbst zu stehen und nicht zu irgendwelchen illustren Ideologien.
In der Ankündigung heißt es, Sie träumen von einem "herrschaftsfreien Leben". Was ist damit gemeint?
Das ist bei mir schon so, seitdem ich mit 17 Jahren angefangen habe. Gedichte zu schreiben. Bei Henry Miller, den ich sehr verehre, habe ich damals den Satz "Der wahre Künstler muss Anarchist sein" gelesen. Und genau so ist es bei mir bis heute geblieben. Eine herrschaftsfreie Welt, das ist für mich eine Welt ohne Patriarchat und ohne Herrschende.
Wenn wir uns mal überlegen, dass wir seit Jahrtausenden diesen Psychopathen hinterherrennen, die letztlich Kriege nur führen, um ihr eigenes Ego aufzublähen, dann ist doch klar: Wir brauchen keine Herrscher! Was wir stattdessen brauchen, ist ein liebevolles Zusammenleben. Also müssen wir versuchen, diesen Traum zu leben. Und damit das klar ist: Für mich sind Träume und Utopien nicht etwas, das man nicht verwirklichen kann, sondern es ist verwirklichbar. Da bin ich sicher!
Wenn sie von "liebevollem Miteinander" sprechen, weht da nicht ein Hauch der alten 68er mit durch die Gefilde?
Ja natürlich, Ich bin ein bekennender alter 68er. Und zwar einer aus der Gründerzeit der 68er, was wichtig ist, denn in den 70ern begannen ja schon diese ideologischen Kämpfe. Da haben alle möglichen Ideologisten versucht, mir ihr Weltbild aufzuzwängen. Aber mit dem jungen Anarcho, der ich damals war, ging das nicht.
Wie sieht das denn heute aus mit ideologischem Engagement? Was halten Sie denn von den Aktionen der "letzten Generation"?
Ich habe mich sehr stark für die letzte Generation eingesetzt, habe unter anderem auch ein Video dazu gemacht und einen Aufruf, die Kriminalisierung der letzten Generation bis hin zu Vergleichen mit der RAF zu unterbinden. Der Staat sollte auch eigentlich nicht gegen diese Klimaaktivisten vorgehen, sondern endlich mal gegen die Lobbyisten und damit gegen das, was man der neuen Generation antun wird. Sonst werden unsere Kinder in 40 oder 50 Jahren ja noch nicht einmal mehr atmen können.
Blicken wir auf die Musik bei Ihren Konzerten. In welchem Verhältnis stehen denn Musik und Text, und ist die Musik immer auf die jeweiligen Inhalte bezogen?
Ja, das war schon immer so. Ich habe schon immer meine Gedichte erst hinterher vertont und nie umgekehrt. Es war immer zuerst der Text da, und ich habe versucht, ihn dann textgemäß zu vertonen. In den 80ern, als gerade der Punk aufkam und die Leute darauf standen, da habe ich es gewagt, mit einem Kammerorchester auf die Bühne zu gehen. Und da bin ich mir sicher: Die Leute kamen nicht wegen, sondern trotz meiner Musik. Ich komme aber halt mal aus der klassischen Musik; das ist nun mal halt so.
Wer wird denn mit Ihnen auf der neuen Tour unterwegs sein?
Das sind zumindest teilweise sehr alte Weggefährten. Jo Barnikel an den Keyboards etwa, den ich seit 30 Jahre kenne. Dann ist auch die Cellistin Fany Kammerlander wieder dabei, die seit sieben Jahren mit mir zusammenspielt. Und dann noch der Klarinettist und Saxofonist Norbert Nagel sowie der Percussionist Jürgen Spitschka.
Was werden zu hören bekommen? Auch alte und ältere Stücke, wie den "Willy", den Sie ja vorübergehend auch mal nicht gesungen haben?
Nein, der Willy wird dieses Mal nicht dabei sein. Aber ich singe natürlich auch alte Lieder, unter anderem "Der Baum", in dem ich mich vor 40 Jahren schon für die Aktivistinnen und Aktivisten gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf eingesetzt habe. Was ich auch gerne wieder mal spielen möchte, ist "Wenn der Sommer nicht mehr weit ist"; das war mal das wichtige Lied meiner Laufbahn. Aber dann natürlich auch die Stücke aus Utopia. Alles in allem eine bunte Mischung aus über 50 Jahren.
Ihre Tour umfasst 25 Auftritte in acht Wochen. Nun sind Sie ja mittlerweile 76 Jahre alt und somit nicht mehr ganz der allerjüngste. Wie schaffen Sie das?
Ich stelle immer wieder fest, dass ich auf der Bühne nach wie vor unglaublich viel Spaß habe. Meine Konzerte machen nicht nur meinem Publikum Mut, sondern auch mir, und zwar zum Weitermachen. und das wird sicher noch eine ganze Weile so gehen. Mir ist es in diesem Zusammenhang ganz wichtig festzustellen, dass ich mir meine Lieder nie ausgedacht habe, sondern die sind mir alle passiert!
Ich glaube, im Laufe meines Lebens habe ich so um die 600 geschrieben; Gedichte wahrscheinlich noch viel mehr. Und das Geheimnis der Poesie ist ja: Meine Lieder und Gedichte waren immer klüger als ich. Nicht zuletzt deshalb bin ich auch sicher, dass mein Publikum nach meinen Konzerten ermutigt wieder nach Hause geht. Und mehr kann ich mir nicht wünschen.
Info: "Utopia 2.0" live, am Samstag, 4. November, 20 Uhr, im Mannheimer Rosengarten. Die regulären Karten sind bereits ausverkauft. Es gibt aber für jedes Konzert von Konstantin Wecker 100 Sozialtickets der Initiative "Kultur für alle". Für Mannheim sind noch etwa 30 erhältlich. Wer unter der Armutsgrenze lebt, schreibt eine Mail an sozialticket@wecker.de mit Angabe des Konzertorts. Sind die Tickets bereits vergeben, wird man auf eine Warteliste gesetzt.