Adax Dörsam und Timo Gross mit "Leadbelly"-Tribut-Livestream
Musiker beweisen, dass die Musikform aktueller ist denn je - Jede Zeit hat ihren Blues

Von Peter Wiest
Mannheim. Eine Chat-Teilnehmerin brachte es auf den Punkt: "Das passt wirklich perfekt in die Zeit", schrieb Ruth, als Timo Gross und Adax Dörsam beim Livestream-Konzert aus dem Mannheimer Club "Ella & Louis" ihr Stück "Blow my Blues Away" anstimmten. Ja, in der Tat: Keine andere Musik gibt die Stimmung, in der wir uns alle jetzt ja bereits seit Monaten befinden, so treffend und umfassend wieder, wie dies der Blues tut.
Dieses Hin und Her, dieses Auf und Ab, dieses Wandeln zwischen Melancholie, Niedergeschlagenheit, Trübseligkeit und fast Verzweiflung auf der einen Seite, dann aber auch wieder aufkeimender Hoffnung und Zuversicht, ja sogar guter Laune auf der anderen: All das – und noch viel mehr – macht ihn nun mal aus, den Blues. Das war bereits vor 100 Jahren so, und das ist bis heute so geblieben – in Zeiten der Pandemie vielleicht sogar noch ein bisschen mehr.
Timo Gross und Adax Dörsam, beide seit Jahrzehnten Gitarren-Granden der hiesigen Region, wissen das seit Langem. Denn sie spielen und leben den Blues – immer wieder. Und sie haben die musikalischen, aber auch die emotionalen Fähigkeiten, diese bluesigen Klänge und Gefühle umzusetzen und zu übertragen in die heutige Zeit. Ganz so, wie sie es getan haben mit ihrem gerade erschienenen Album "Leadbelly Calls", das sie dem legendären "Bluesman" Huddie Ledbetter, besser bekannt als "Leadbelly", aus Louisiana gewidmet haben. Der lebte von 1885 bis 1949, saß die Hälfte seines Lebens in Gefängnissen – und gilt bis heute zu Recht als einer der Urväter des Südstaaten-Blues.
Den wiederum beherrschen die beiden süddeutschen Blues-Meister ihrerseits absolut perfekt, wie der gut einstündige Livestream beeindruckend bewies. Gross und Dörsam war dabei sichtlich anzumerken, wie sehr sie es genossen, endlich wieder mal auf einer Bühne stehen beziehungsweise sitzen und spielen zu können – wenn auch (noch) ohne direktes Publikum im Saal.
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Nach und nach gingen beide im Lauf des gut einstündigen Konzertes immer mehr aus sich heraus und begeisterten mit instrumentaler Vielfalt und auch mit einprägsamem und bluesig-rauchigem Gesang. Zu Recht zogen die zahlreichen Zuschauer daheim an ihren Laptops und Smartphones dieses "Leadbelly"-Konzert einem zur gleichen Zeit laufenden Livestream der Wacken-Festival-Macher vor.
Perfekte Technik, perfekter Sound und Konzentration auf den klassischen Stil bei Stücken wie "Take This Hammer" oder "My Baby Left me", dann aber auch mal ein oder zwei Ausflüge, ja beinahe Ausbrüche in moderne Blues-Gefilde wie beim Klassiker "Black Betty" oder den von Rock-Heroen wie Led Zeppelin oder Nirvana bekannt gemachten "Leadbelly"-Songs "Gallis Pole" und "Where did you Sleep". Mit Timo Gross und Adax Dörsam haben sich zwei Musiker gefunden, die den Blues tatsächlich in all seinen Schattierungen kennen, ihn lieben – und ihn leidenschaftlich spielen, zeitgemäß ebenso wie traditionell.
Bemerkenswert auch, dass sich die zwei eigenen Songs des Duos "It’ll Blow a Poor man Down" und das eingangs erwähnte "Blow my Blues Away" absolut passend einfügten in "Leadbellys" Jahrzehnte altes Blues-Lebenswerk – ganz so, als stamme das alles aus ein und derselben Feder.
Das bluesige i-Tüpfelchen dann ganz am Ende: "Good Night Irene" bildete den perfekten Schlusspunkt eines mitreißenden und ungewöhnlich stimmungsvollen Livestream-Konzertes – und ließ den Wunsch danach, das Ganze dann doch bald auch mal von Angesicht zu Angesicht mit den Künstlern zu erleben, erst recht noch umso größer werden.



