"Ich bin ein Stück mutiger geworden"
Die klassisch geschulte Jazz-Crossover-Sängerin Laufey wurde in wenigen Jahren zum Superstar - Jetzt erscheint ihr drittes Album.

Von Steffen Rüth
Seit ihrem ersten Studioalbum vor drei Jahren erlebt die Isländerin Laufey einen rasanten Aufstieg. Unterstützt von sozialen Medien wie TikTok, aber auch maßgeblich unterfüttert von Virtuosität und Talent, hat die 26 Jahre alte Sängerin, Songschreiberin und Multiinstrumentalistin nun mit "A Matter Of Time" ihr drittes und nicht nur reifstes, sondern auch vielfältigstes Werk aufgenommen. Steffen Rüth traf Laufey Lin Bing Jónsdóttir in Berlin zum Interview.
Laufey, in deiner Heimatstadt Reykjavik ist es zuletzt zwei, drei Monate lang nicht mehr richtig dunkel gewesen. Kommst du gut damit zurecht?
Oh ja, und wie! Ich liebe unsere isländischen Sommer. Ich bin gerne am Meer und genieße es, mit allen meinen Sinnen so viel Licht wie nur möglich aufzusaugen. Ich werde richtig euphorisch bei so viel Sonne. Und weißt du, was das Beste ist?
Was denn?
Wenn ich um 2 Uhr nachts in Reykjavik eine Bar oder Pinte verlassen, und draußen ist es noch hell. Das fühlt sich dann an, als hätte man nicht so über die Stränge geschlagen (lacht).
Bei allem Respekt, liebe Laufey: Dass du so richtig einen draufmachst, erscheint schwer vorstellbar.
(lacht) Ich passe natürlich auf meine Stimme auf und übertreibe es nicht. Aber wenn ich in Reykjavik bin, sehe ich halt auch gern meine Freundinnen und Freunde, und dann wird es schon mal später. Im Sommer fahren wir manchmal einfach nachts ans Meer raus und setzen uns an den Strand. Das ist wunderschön.
Deine von Pop, Jazz und einem Hauch Klassik geprägten Lieder klingen zumeist eher introvertiert und melancholisch. Kannst du im Sommer überhaupt schreiben?
Das ist tatsächlich schwierig. Die meisten meiner Lieder sind bisher im Herbst und Winter entstanden, zumindest jene, die ich in Island geschrieben habe. Wenn ich hier bin, lebe ich immer noch im selben Haus bei meinen Eltern, im selben Zimmer wie immer. Meine Welt hat sich in den letzten Jahren so rasant verändert und rapide beschleunigt, umso mehr bedeutet es mir, daheim ein wenig Ruhe zu finden. Bei meiner Familie zu Hause bin ich immer noch das kleine Mädchen von früher.
Dein neues Album "A Matter Of Time" hast du gleichwohl in Los Angeles aufgenommen, wo du ebenfalls eine Bleibe hast. Wie ergänzen sich LA und Reykjavik?
Ganz banal: Auch in Los Angeles hast du auf einer Seite den Ozean und auf der anderen die Berge. Für mich als Naturmensch ist das ein Riesenplus. LA ist ansonsten die Stadt, in der ich arbeite und in der ich einige Schlüsselmomente erleben durfte: den Grammy-Gewinn oder das Konzert in der Hollywood Bowl, diesem fantastischen Ort, wo ich zuletzt Joni Mitchell, Elton John mit Brandi Carlile oder Chappell Roan erlebt habe. Ich genieße an Los Angeles die großartige Diversität, sowohl was die Leute, als auch was die Musik betrifft. Außerdem lebt dort mein Produzent und Co-Komponist Spencer Stewart, und es ist ein Ort, an dem niemand Interesse hat an deiner Vergangenheit. Es geht nur darum, wer du bist und was du vorhast. Mir gefällt dieses radikale Denken ziemlich gut. Los Angeles ist der perfekte Platz, um dein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.
Und dein Debütalbum 2022 hieß "Everything I Know About Love". Hast du drei Jahre später in diesem Themengebiet ein wenig dazulernen können?
Gott, ja. Aber einfacher ist das alles nicht geworden. Je älter ich werde, desto mehr erweist sich die Liebe als ein Labyrinth. Ich habe spät damit angefangen, überhaupt in so etwas wie ein Verabredungs- und Beziehungsleben einzusteigen. Lange Zeit bestand mein Leben im Wesentlichen aus meinem Studium und meiner Arbeit. Und nun habe ich den Eindruck, dass alles immer komplexer wird, was mit dem Verlieben und der Liebe zu tun hat.
Woran machst du das fest?
Wenn ich mich verliebe, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich auch Seiten, die mir unangenehm sind, nicht mehr vor der anderen Person verstecken kann. Du kannst es versuchen, doch früher oder später wirst du durchschaut werden. Diese Überlegung war es auch, die zum Albumtitel "A Matter Of Time" geführt hat. Gefühlt entdecke ich mindestens einmal im Jahr eine komplett neue Emotion. Und das verunsichert mich. Aber "A Matter Of Time" ist kein striktes Liebesalbum. Es ist eher der musikalische Ausdruck einer 26-jährigen Frau, die sich selbst entdeckt und Erfahrungen sammelt.
Welches Gefühl ist denn in diesem Jahr das neue?
Ich denke, ich bin ein Stück mutiger geworden. In allen Bereichen – als Sängerin und Musikerin habe ich die Palette meiner Sounds vergrößert, ich wage mich jetzt auch mal an richtig dramatische Stücke wie "Sabotage" oder an sehr spaßige, leichtfüßige Songs wie "Lover Girl". Die Leute neigen dazu, mich in der Schublade "sanfter Jazz-Pop" abzulegen, aber mir war stark daran gelegen, zu zeigen, dass meine Musik vielschichtiger ist.
Bist du auch jenseits der Musik forscher geworden?
Das bin ich. Ich traue mich neuerdings Sachen, vor denen ich sonst immer Angst hatte. Ich war zum Beispiel vor Kurzem zum ersten Mal in meinem gesamten Leben in einer Achterbahn in Disneyland. Und das Tollste ist: Ich fand das richtig super. Meine Angst war ganz schnell weg, als es plötzlich hoch und runter ging und ich auf dem Kopf stand.
Deine Mutter ist klassische Violinistin, du hast mit vier Jahren angefangen, Klavier zu spielen, und mit acht kam die Violine dazu. Du warst schon mit 15 mit dem Iceland Symphony Orchestra als Solocellistin in der Welt unterwegs und hast Musik in Reykjavik studiert. Deine Vorbilder sind Ella Fitzgerald, Taylor Swift und Norah Jones. Wann hast du mit dem Schreiben eigener Songs begonnen?
Relativ spät, so mit 19 oder 20. Der Grund war tatsächlich: Liebeskummer. Ein Junge hatte übel mit meinen Gefühlen gespielt und mich sehr traurig gemacht. In dieser Stimmung, ich war damals Studentin, entstanden meine ersten Songs. Plötzlich war die Traurigkeit verschwunden und an ihre Stelle trat ein tiefes Glücksgefühl.
Auch das bissige neue Lied "A Cautionary Tale" scheint stark von einem anderen Menschen inspiriert zu sein.
Ich kann sehr sarkastisch sein, und in diesem Stück lebe ich das auch aus. Der Kerl war aber auch wieder unmöglich. Ich merkte, wie er mich manipulierte, doch ich war schneller und verließ ihn, bevor er mir das Herz brechen konnte. Was war ich sauer! Aber diese Wut hat richtig gutgetan, und davon handelt dieses Lied.
Info: Laufeys Album "A Matter Of Time" erscheint am Freitag. Deutschlandkonzerte sind derzeit nicht geplant.