Literaturhaus? Eine Kopie - das kann es doch nicht sein

Gespräch mit dem DAI-Chef Jakob Köllhofer über die Chancen für ein Heidelberger Literaturhaus

05.07.2013 UPDATE: 05.07.2013 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden
'Unser Literaturbegriff ist international orientiert': Jakob Köllhofer, der Leiter des Deutsch-Amerikanischen Instituts in Heidelberg, in seinem Büro. Foto: Friederike Hentschel


Von Volker Oesterreich

Das Projekt klingt faszinierend: Der Verein "Literaturhaus Heidelberg" möchte im Wormser Hof, also dort, wo sich noch die Lux/Harmonie-Kinos befinden, ein Zentrum für Autoren, Leser, Verlage und Buchhändler eröffnen. Während einer Info-Veranstaltung in der Stadtbücherei erläuterten der Verleger Manfred Metzner und sein Verlagspartner, der Lyriker Hans Thill, sowie der Germanistik-Professor Roland Reuß, der Kulturmanager Hauke Hückstädt (Literaturhaus Frankfurt) und der Heidelberger Literaturwissenschaftler Peter Staengle ihre Pläne. Im Idealfall könnten 1000 Quadratmeter im zweiten Obergeschoss und im Dachgeschoss des Wormser Hofs bespielt werden. Da im Heidelberger Doppelhaushalt für 2013/14 jedoch keine Mittel für ein Literaturhaus vorgesehen sind, muss langfristig geplant werden. Im Gespräch mit der RNZ äußert sich Jakob Köllhofer, der Leiter des Heidelberger Deutsch-Amerikanischen Instituts (DAI), über das Projekt.

Herr Köllhofer, auf den Fahnen vor dem DAI steht der Slogan "Das Haus der Kultur". Ist das DAI auch ein Literaturhaus?

Wenn man den Begriff weiter fasst, auf jeden Fall. Die Leute, die uns besser kennen, wissen auch, dass im Zentrum unserer Arbeit der Autor und seine Leserschaft stehen. Unser Anliegen ist auch, dass Autoren hier in der Stadt ihre Kollegen treffen und Kontakte zu Wissenschaftlern knüpfen - und dass sie beispielsweise auch im DAI-Kindergarten lesen. Im pekuniären Bereich werden die Autoren bevorzugt behandelt, sie dienen keinesfalls als "Veranstaltungsfutter". 

Wie breit ist das Spektrum?

Unser Literaturbegriff ist international orientiert, und das Programm reicht von Veranstaltungen mit Nobelpreisträgern bis zum Spezialangebot für Lyrik-Kenner. Wir haben uns frühzeitig um die Exil-Literatur gekümmert. Hans Sahl zum Beispiel war hier. Die Beat-Poets waren hier, die Poetry-Slam-Bewegung hat hier seit langem eine feste Adresse. Und natürlich ist unser Publikum auch an der großen, internationalen zeitgenössischen Literatur interessiert - von Jewgeni Jewtuschenko über Wole Soyinka bis zu Bret Easton Ellis. Osteuropäische Literatur wurde intensiv behandelt, auch die Aborigenee-Literatur oder populäre Literatur wie die von Donna Leon, die gerade hier war. 

Sie kennen Manfred Metzner und seine Literaturhaus-Pläne seit vielen Jahren. Welche Chancen räumen Sie ihm ein?

Ich war immer ein Freund des Literaturhaus-Gedankens, es ist doch eine tolle Sache, wenn man für die Literatur wirbt. Vielleicht waren es Stil-Fragen, die in letzter Zeit für Irritationen gesorgt haben. Bisher gab es ja nur allgemeine und pauschale Forderungen. 

Bei der Literaturhaus-Diskussion wurde eine Liste mit 13 Punkten vorgeschlagen.

Aber was heißt das konkret? Für mich ist vieles noch viel zu vage. Und wo ist das Eigene? Die Kopie anderer Literaturhäuser kann es doch nicht sein. Entscheidend wäre es doch danach zu suchen, was hier fehlt. 

Der Bereich creative writing fehlt zum Beispiel.

Richtig. Aber wäre dieser Bereich nicht besser an der Universität angesiedelt. Die Germanisten könnten doch einen konkreten praktischen Aspekt in ihre Arbeit mit einbeziehen. 

Das DAI erhält von der Stadt Heidelberg einen Zuschuss von rund 400 000 Euro pro Jahr. Aber das ist nur ein Teil Ihres Etats, den Sie aus Eintrittsgeldern, Vermietungen und Drittmitteln bestreiten müssen. Müsste ein Literaturhaus ähnlich arbeiten?

Wahrscheinlich. Unser Etat kommt zu 40 Prozent von der öffentlichen Hand, 60 Prozent müssen wir selbst erwirtschaften. Insgesamt liegt der DAI-Etat knapp über einer Million Euro pro Jahr. Aber das bedeutet, dass hier alle bis zum Anschlag arbeiten müssen, mein eigener Arbeitstag dauert 16 Stunden. 

Würden Sie die Gründung eines Literaturhauses begrüßen, oder wäre es eine direkte Konkurrenz?

Das sehe ich ganz sportlich. Wenn es fair zugeht, zeige ich gerne, was wir können und was wir wollen. Es ist ein erfolgreiches Programm mit dem Mut zu Neuem. 

Jährlich kommen rund 100 000 Besucher ins DAI.

Wenn man die Besucher der Bibliothek dazuzählt, sind es sogar 200 000. 

Bei der Diskussion über das Literaturhaus vermutete ein Besucher, man müsse im umgebauten Wormser Hof mit einer Kaltmiete von 14,50 Euro pro Quadratmeter rechnen. Damit entstünden Fixkosten von 14 500 Euro pro Monat plus Nebenkosten, Personal und Programmkosten.

Der Wormser Hof in der Altstadt steht auf der Wunschliste. Es ist ganz normal, dass man seinen Lieblingsplatz ganz nach oben stellt. 14,50 Euro zahlen wir nicht, und das zahlen viele andere auch nicht, das sollte man dem Steuerzahler auch nicht zumuten. Wir erleben gerade eine unglaublich spannende Zeit. Heidelberg entwickelt sich enorm. Stichwort Bahnstadt oder Konversionsflächen. So ein tolles Projekt wie ein Literaturhaus muss sich doch nicht zurückziehen und an einem traditionsverhafteten Ort hängen. Es könnte doch an einem neuen Ort, an dem auch Jugend ist, zu einer Speerspitze werden. Dorthin muss sich sowieso die Kulturpolitik der Stadt orientieren.

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