Jedes Bild ein Schicksal

Alfred Kubin und die Sammlung Prinzhorn - Ausstellung bis zum 30. Juli

01.03.2017 UPDATE: 02.03.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 59 Sekunden

Von Heide Seele

Hört man seinen Namen, stellen sich Gedanken an Unheimlichkeit oder Bedrohlichkeit ein. Man assoziiert Dunkles, Gespenstisches. Die Ausstellung "Alfred Kubin und die Sammlung Prinzhorn" in Heidelberg bietet jetzt unter dem Rubrum "Geistesfrische" Gelegenheit, diese Vorstellungen auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen. Wer die Exponate aufmerksam betrachtet, wird sie bestätigt finden, denn er fühlt sich hinein gezogen in Kubins eigene, wahrlich nicht froh stimmende Welt mit ihrer düsteren Atmosphäre und den traumhaft-grotesken Sujets. Selbst wer nichts über den Künstler weiß, wird erkennen, dass der Urheber dieser Szenen kein glücklicher Mensch gewesen sein kann.

Der österreichische Grafiker, der von 1877 bis 1959 lebte - sein Geburtstag jährt sich also zum 140. Mal -, war schon als Kind mehrfach mit Todesfällen in seinem Umfeld vertraut gemacht worden. Später erlitt er gefährliche Krisenerfahrungen, darunter ein Nervenleiden nach drei Wochen freiwilligem Militärdienst. 1920 hatte er sich nach der Besichtigung von Prinzhorns Kollektion begeistert über die Sammlung geäußert und ihrem Besitzer einige seiner Werke geschenkt. Er plädierte engagiert für einen Raum, in dem die Objekte ständig und würdig präsentiert werden sollten.

Die aktuelle Schau in der Sammlung Prinzhorn ist die bisher dritte, die sich mit dem Maler befasst. Sie war 2013 in der Landesgalerie von Linz zu sehen gewesen und rekonstruiert in Heidelberg mit hundert Arbeiten, wie Kubin jene dreizehn Künstler einschätzte, die er in seinem Artikel in der Zeitschrift "Das Kunstblatt" von 1922 präsentiert hatte. Zwar wird in der Schau nicht Kubins Sicht auf die Kollektion wiederholt, von der er fasziniert war. Doch ihr Schwerpunkt liegt auf jenen Werken, die der Künstler einst in der Sammlung Prinzhorn besichtigt hat, darunter viele, die noch nie gezeigt wurden. Sie alle vermitteln wertvolle Einblicke in das Schaffen der ausgewählten Maler.

Die meisten Namen sind dem an Outsider-Art Interessierten bekannt, vor allem Kubin, der die Schau dominiert, etwa mit dem bedrückenden, aber genialen Bild "Der wahnsinnige van Gogh" oder der Zeichnung "Wasserkopf", einer sachlich-gnadenlos gemalten Darstellung eines missgestalteten Säuglings.

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Zu den prominenten Namen zählt der Maler und Architekt Paul Goesch, den die Nazis in einer Anstalt umbrachten. Er ist mit einer rasanten, Gefährlichkeit assoziierenden "Groteske" vertreten, während das nicht ganz geheuer wirkende Tierwesen von Franz Karl Bühler, der das gleiche Schicksal wie Goesch erlitt, ebenfalls als Parabel gilt. Auch er malte eine (titellose) Heilige-Nacht-Szene.

Peter Moog hat seine ordentlich struk-turierten und zum Teil religiös konnotierten Bilder oft akribisch mit Schrift geziert, und auch der berühmte Adolf Wölfli hat für seine ornamentalen Zeichnungen mit Farbstift viel Zeit und Gedankenreichtum aufgewandt. Alle Arbeiten verdienen eine genaue Betrach-tung, denn sie sind nicht nur unter künstlerischem Aspekt bemerkenswert. Jedes Bild steht für ein tragisches Schicksal und fordert damit zur Empathie auf.

Im Kabinett der Sammlung Prinzhorn finden sich zusätzliche Arbeiten, die um Wahnsinn oder Halluzination kreisen. (Der Titel "Geistesfrische" resultiert aus einem Zitat Kubins, der nach seinem Besuch der Sammlung für eine permanente Ausstellungsmöglichkeit der Werke plädiert hatte in der Hoffnung, dass dann von dieser Stätte "Geistesfrische" ausströmen möge.)

Info: "Geistesfrische - Alfred Kubin und die Sammlung Prinzhorn" in der Heidelberger Sammlung Prinzhorn (Voßstraße 2) bis zum 30. Juli.

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