Die ganze Stadt war eine einzige Bühne

Heidelberg. "Bühne frei für eine spielende Stadt!": Beim 6. Theatermarathon bespielten lokale Theatergruppen Plätze und Hinterhöfe der Stadt

23.07.2012 UPDATE: 23.07.2012 07:47 Uhr 1 Minute, 35 Sekunden
Mit Körpertheater fesselte das Ensemble des Hölderlin-Gymnasiums die Passanten beim Theater-Marathon in Heidelberg. Foto: Welker
Von Magdalena Schüßler

Heidelberg. Irgendetwas ist anders. Am Bismarckplatz merkt es noch niemand. Entlang der Fußgängerzone wird es dann immer seltsamer. Ein Clown steht da und lächelt. Rufe sind zu hören, Musik. Menschen mit grell-orangefarbenen Papierblumen verteilen gut gelaunt Flyer und Seifenblasen. Und dann, plötzlich, vor dem Bunsendenkmal wird der Passant zum Zuschauer: Das Theater hat die Stadt erobert. Beim 6. Theatermarathon bespielten lokale Theatergruppen Heidelberger Plätze und Hinterhöfe. Für ein Wochenende hieß es: "Bühne frei für eine spielende Stadt!". "Wir wollen das Theater wieder an die Leute ranbringen", erklärt Steve Walter, neben den Hauptverantwortlichen vom TiKK (Theater im Kulturhaus Karlstorbahnhof) einer der Marathon-Organisatoren.

Theater in der Fußgängerzone - geht das überhaupt? Im richtigen Rahmen gehe das auf jeden Fall, meint die 24-jährige Lucia Rüffert von der Theaterwerkstatt. Die Gruppe spielt an diesem Wochenende unter anderem "Leonce und Lena" von Georg Büchner. Die besondere Herausforderung: "Wir wollten unser Umfeld, die Begebenheiten der Stadt, einbeziehen, mit der Kulisse spielen. Bäume, Steine oder Bänke, das ist alles Spielfläche." Besonders wichtig sei es dabei, flexibel zu bleiben und das Publikum einzubinden. Denn sonst werden Zuschauer schnell wieder zu Passanten - und gehen weiter. Trotzdem: "Es tut gut, mal aus den fest gefügten Theaterstrukturen herauszukommen", betont Lucia Rüffert.

Nachdem der Marathon zwei Jahre in Folge wegen organisatorischer Schwierigkeiten ausgefallen war, wollten die Heidelberger Theatergruppen auf dieses Herauskommen nicht länger verzichten. Die Nachfrage sei groß gewesen, das Engagement auch, sagt Steve Walter, der in Freiburg ausgebildete Schauspieler und Regisseur: "Dass das hier so gut und ohne Konkurrenzdenken funktioniert, ist erstaunlich." Schon bei der Eröffnung zeigte sich nicht nur die Kooperationsbereitschaft, sondern auch die bunte Vielfalt der Heidelberger Theaterlandschaft. Vor dem Bunsendenkmal schlenderte das Ensemble des Hölderlin-Gymnasiums durch die Zuschauermenge. Genervte Blicke, arrogante Attitüde. Kurz darauf brach die demonstrative Coolness immer wieder zusammen. Der Tanz der Schüler steigerte sich zur Ekstase, um gleich darauf wieder in schmerzverzerrten Grimassen einzufrieren. Körpertheater, das die Blicke bannt.

Wo eben noch das Hölderlin-Ensemble sein Können zeigte, tanzte zwei Stunden später die Tanzschule Intango leidenschaftlichen Paartanz aus Argentinien. Danach stürmten die Improvisationskünstler von der Gruppe "Halt-Los" die Bühne und spielten sich durch die Zurufe ihrer Zuschauer in Fahrstühle, inszenierten den Beziehungsstreit um eine kaputte Klobürste mal als Musical mal als Horrorszene. Vom Theaterlabor über Tragödien führte das Wochenende bis hin zu "musikalisch-literarischen Streifzügen durch Alt-Heidelberg". Ein echter Marathon der Theaterkultur und zwei Tage, die die ganze Stadt in eine Theaterbühne verwandelten.

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