Junges Theater Heidelberg

So lief die digitale Premiere von "Schimmerndes Wasser"

Wie junge Menschen mit Verlust, Trauer und Lebenskrisen umgehen. Ein Stück für Jugendliche ab zwölf Jahren.

12.04.2021 UPDATE: 13.04.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 42 Sekunden
Auf der Suche nach sich selbst ist Ally, gespielt von Magdalena Wabitsch. Foto: Reichardt

Von Ingeborg Salomon

Heidelberg. Auf der Bühne des Heidelberger Zwinger3 ist es ziemlich dunkel, und auch der heimische Bildschirm zeigt viel Schwarz. Das passt, denn in der deutschsprachigen Erstaufführung von "Schimmerndes Wasser" zeigt Regisseur Andreas Weinmann, wie junge Menschen mit Verlust, Trauer und Lebenskrisen umgehen. Das Stück der schwedischen Autorin Johanna Emanuelsson hatte jetzt digitale Premiere – was für ein Jugendstück besonders bedauerlich ist, vermisst der einsame Betrachter am PC doch die Reaktionen des Publikums besonders schmerzlich.

Düsternis wie auf der Bühne herrscht auch im Seelenleben der elfjährigen Mädchen Manisha (Nadja Rui) und Ally (Magdalena Wabitsch). Während Manisha gern die Maske von Hannibal Lecter im Gesicht und ein blutiges Gehirn in der Hand trägt, seziert Ally Kröten. Blass wird sie dabei nicht, ist ihr Hautton doch ohnehin bläulich. Die beiden Freaks sind zunächst in je einem Spind wie gefangen, bevor sich ihr Aktionsradius auf die Bühne erweitert. "Normal" ist das alles nicht, und so ist es kein Wunder, dass die zwei weder in ihrer Familie noch in der Schule klarkommen.

Als eines Tages das Meerschweinchen der Klasse verschwindet, hat die Lehrerin Sigrun von Kaffeemundgeruch (Johanna Dähler), sofort die beiden Außenseiterinnen in Verdacht. Auch im Jugendclub wird heftig über sie gelästert – und das macht beim Zuschauen besonders viel Spaß. Lisa Kohler, die für Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnet, hat die drei Darstellerinnen nämlich kurzerhand in drei supercoole Mädchen im Mangastil verwandelt, die jetzt eine Runde jugendsprachlich ablästern und dabei eine gekonnte choreografische Einlage zeigen. Gut möglich, dass es an dieser Stelle im Zwinger3 Szenenapplaus gegeben hätte.

Ally und Manisha haben nun endgültig genug und fliehen in einen geheimnisvollen Wald. Hier gibt es nichts, außer einem schwarzen Himmel und einem ebenso schwarzfunkelnden Wasser. Es ist ein magischer Ort, der die Mädchen verwandelt. Denn sie müssen sich ihren Ängsten stellen und erzählen sich zögernd von ihren Verlusten und ihrer Trauer. Beide haben nämlich den Vater verloren, beide wissen nicht, wie sie mit diesem Schmerz umgehen sollen. Langsam setzt ein Heilungsprozess ein, Alley und Manisha fassen Vertrauen zueinander – und zuletzt auch zum Leben. Dass am Schluss auch in der bislang völlig affektfreien Lehrerin Gefühle erwachen und sie das Meerschweinchen betrauern und würdig begraben kann, rundet den Heilungsprozess ab.

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Regisseur Andreas Weinmann hat ein Händchen für eigenwillige und doch feinfühlige Inszenierungen, wie die Heidelberger bereits bei "Botenstoffen" oder "Zigeuner-Boxer" erleben konnten. Sehr gelungen ist das Bühnenbild mit sparsam eingesetzter Lichtregie und eindrucksvollen Spiegeleffekten. Die Darstellerinnen verdienen kräftigen Applaus, deshalb ist es schon ziemlich traurig, als sie sich nach 60 Minuten alle Richtung Kamera verbeugen – ins Leere.

Info: Das Stück wird auf der Plattform www.theater-stream.de angeboten.

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