Plus James Bond

Vor 70 Jahren erschien Ian Flemings erster Roman "Casino Royale"

Das war die Geburtsstunde eines Helden, doch sein Schöpfer hatte zu Beginn seine Zweifel.

13.04.2023 UPDATE: 13.04.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden
„Casino Royale“ wurde zunächst 1954 mit Barry Nelson als „Jimmy“ Bond für das US-Fernsehen verfilmt, 1967 folgte eine verrückte Parodie mit David Niven, Peter Sellers und Orson Welles. Die Verfilmung mit Daniel Craig (2006) orientierte sich näher am Buch. Fotos: dpa

Von Philip Dethlefs

Die Angst vor der bevorstehenden Ehe soll Ian Fleming motiviert haben, seinen ersten Spionagethriller zu schreiben. Um sich vom Gedanken an das Ende seines Junggesellenlebens abzulenken, setzte sich der britische Autor und ehemalige Geheimdienstoffizier an die Schreibmaschine. Auf seinem Anwesen Goldeneye auf Jamaika tippte er Anfang 1952 die ersten Worte. Gut ein Jahr später, am 13. April 1953, wurde der Roman "Casino Royale" in Großbritannien veröffentlicht. Es war die Geburtsstunde von James Bond.

Dass seine Figur einmal so berühmt werden würde, hätte Ian Fleming sicher nicht zu träumen gewagt. Tatsächlich hatte der Autor sogar große Zweifel, als er sein Manuskript für "Casino Royale" – je nach Quellenlage – nach sechs Wochen oder gut zwei Monaten fertiggestellt hatte. Als Fleming seinem Freund, dem Schriftsteller William Plomer, ein Manuskript schickte, soll er vorsichtig angemerkt haben, er schäme sich dafür, wolle es aber trotzdem riskieren. Zum Glück erkannte Plomer das Potenzial von 007 und ermutigte seinen Freund.

Flemings Inspiration für "Casino Royale" waren eigene Erlebnisse als Mitarbeiter des britischen Marinegeheimdienstes während des Zweiten Weltkriegs sowie reale Ereignisse, die er während dieser Zeit mitbekam. Fleming, der 1908 in London geboren wurde, arbeitete zunächst als Journalist und Börsenmakler, bevor er im Krieg Geheimdienstoffizier wurde. Es war wohl eine Berufung, denn die Welt der Spionage faszinierte ihn bis zu seinem Tod 1964.

Ian Fleming.

In "Casino Royale" soll Geheimdienstagent Bond im französischen Royale-les-Eaux an einem Baccarat-Turnier mit hohen Einsätzen teilnehmen. Sein Auftrag ist es, den sowjetischen Agenten Le Chiffre, der das Geld seiner kommunistischen Partei zur Finanzierung eigener krimineller Aktivitäten verwendet, in den Ruin zu treiben. Le Chiffre hat kürzlich eine große Summe verloren und braucht Geld, um seine Gläubiger auszubezahlen. Bond wird bei seinem Auftrag von Vesper Lynd unterstützt, einer Agentin des britischen Finanzministeriums, in die er sich verliebt.

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"Casino Royale" markierte eine Abkehr vom bis dato üblichen Krimi. Flemings dynamische Erzählweise bestach durch eine ungewöhnlich rasante Handlung, packende Action und lebhafte Charaktere. Damit etablierte er einen neuen Standard für Thriller- und Abenteuerromane, der bis heute Bestand hat. In Bond erschuf Fleming zudem einen neuen Heldentypus: höflich und kultiviert, bei Bedarf aber zu extremer Gewalt fähig – ein Gentleman und Auftragsmörder. Das hatte es vorher nicht gegeben.

Ein auffälliges Merkmal an Flemings Schreibstil ist die lebendige, beschreibende Sprache. "Der Gestank nach Rauch und Schweiß ist in einem Casino um drei Uhr morgens äußerst widerlich", lautet der erste Satz in "Casino Royale". So werden Leserinnen und Leser direkt in eine lebhafte Umgebung versetzt. Fleming war für seine Liebe zum Detail bekannt. Geradezu akribisch beschrieb er alles, von der Kleidung, die seine Charaktere tragen, ihrem Essen und ihren Getränken, über Gebäude und Straßennamen bis zu den Autos, die sie fahren.

Wegweisend war auch seine äußerst bildliche Beschreibung von Gewalt und Sex, die damals nicht unumstritten war. Für Aufsehen sorgte etwa eine detailliert beschriebene Folterszene, in der 007 nackt an einen Stuhl gefesselt ist und Le Chiffre ihm wiederholt mit einem Teppichklopfer zwischen die Beine schlägt.

Flemings eigene Persönlichkeit prägte die von ihm erschaffene Figur. Wie Bond war er selbst als Liebhaber schneller Autos, teurer Kleidung und exotischer Reiseziele bekannt. Der Autor hatte auch einen Ruf als Frauenheld – eine Eigenschaft, die sich ebenfalls in Bonds Charakter widerspiegelt. Auf der Suche nach einem möglichst gewöhnlichen Namen für seinen Helden wurde Fleming in seinem Bücherregal fündig. Dort stand das Vogelkundebuch "Birds of the West Indies" des Autors James Bond.

Flemings älterer Bruder Peter war bereits ein etablierter Reiseautor. Er überzeugte seinen Verlag, der anfangs kein Interesse an "Casino Royale" zeigte, den Roman herauszubringen. Es sollte sich lohnen. In Großbritannien wurde "Casino Royale" sofort ein Erfolg. Wenige Wochen nach Verkaufsstart waren die ersten 4700 Exemplare ausverkauft.

70 Jahre später ist der Geheimagent 007 ein Phänomen der Popkultur. Elf weitere Romane und zwei Kurzgeschichtensammlungen von Fleming folgten, die in unzählige Sprachen übersetzt wurden. Dazu gibt es viele lizenzierte Bond-Geschichten von anderen Autoren. Zuletzt schrieb der Autor Anthony Horowitz eine Trilogie, in die er sogar unverwendetes Originalmaterial von Fleming einbaute und die für ihre Nähe zum Stil des James-Bond-Erfinders gelobt wurde.