Hundekot-Attacke in Hannover

Staatsoper entlässt Ballettdirektor Marco Goecke (plus Video)

Der Angriff eines Ballettdirektors mit Hundekot auf eine Journalistin machte international Schlagzeilen. Jetzt hat der Vorfall weitere Konsequenzen für Marco Goecke.

16.02.2023 UPDATE: 16.02.2023 13:48 Uhr 2 Minuten, 40 Sekunden
Marco Goecke
Marco Goecke wird nicht weiter als Ballettdirektor der Staatsoper Hannover arbeiten.

Hannover. (dpa) Die Staatsoper Hannover trennt sich von Ballettdirektor Marco Goecke wegen dessen Hundekot-Attacke auf eine Journalistin. Sein Vertrag als Ballettdirektor sei mit sofortiger Wirkung und im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst worden, sagte Intendantin Laura Berman am Donnerstag in der Theater-Spielstätte Ballhof Eins. Bereits am Montag hatte die Theaterleitung Goecke suspendiert. Seine Stücke werden Berman zufolge jedoch in Hannover weiter aufgeführt.

Goecke hatte am Samstagabend im Foyer des Opernhauses in Hannover eine Journalistin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Wiebke Hüster, mit Hundekot beschmiert. Zuvor hatte er ihr vorgeworfen, immer "schlimme, persönliche" Kritiken zu schreiben. Drei Tage später bat der Ballettchef öffentlich um Entschuldigung (lesen Sie diese im Wortlaut weiter unten), machte der Journalistin aber zugleich weitere Vorwürfe. Diese reagierte entrüstet und schockiert.

Der Journalistin zufolge hatte Goecke im Opernfoyer unvermittelt eine Plastiktüte mit Hundekot aus der Tasche gezogen und ihr diese mit der offenen Seite ins Gesicht gerieben. "Als ich gespürt habe, was er gemacht hat, habe ich geschrien", sagte die 57-Jährige. Sie habe unter Schock gestanden und geweint.

Schriftlich erklärte Goecke später: "Ich möchte mich bei allen Beteiligten, an erster Stelle bei Frau Hüster, für meine absolut nicht gutzuheißende Aktion aufrichtig entschuldigen." Der Choreograf erklärte die Attacke mit der "nervlichen Belastung zweier kurz aufeinander folgender Premieren". Gleichzeitig machte er Hüster erneut Vorwürfe und sprach von "oft gehässigen Kritiken".

Hüster sagte daraufhin, am Anfang heiße es in dem Statement zwar, Goecke möchte sich entschuldigen. "Aber dann schaltet er sofort um und verstärkt die Vorwürfe, die er ohnehin gegen mich erhoben hat, nochmal", sagte Hüster am Dienstag im 3sat-Magazin "Kulturzeit". "Was für eine Art von Entschuldigung soll denn das bitte sein? Das ist eine Rechtfertigung. Plus: Wir reden hier über einen Straftatbestand. Das ist Beleidigung und Körperverletzung."

(Video verfügbar bis 26. Februar 2023)

Der eklige Übergriff hat international Schlagzeilen gemacht, unter anderem die britische BBC und die US-Zeitung "New York Times" berichteten darüber. Die Attacke löste auch eine Debatte über das angespannte Verhältnis von Kunst und Kritik aus.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) von einem widerwärtigen Vorfall, von dem er sich nur schwer vorstellen könne, dass er ohne personelle Konsequenzen bleibe. Auch Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) hatte sein Bedauern ausgedrückt. "Attacken gegen die Pressefreiheit und die körperliche Unversehrtheit haben in Hannover keinen Platz", betonte er Anfang der Woche.


Hintergrund


Statement und Entschuldigung von Marco Goecke zum Vorfall am 11. Februar 2023 in der Staatsoper Hannover:

"Ich möchte mich bei allen Beteiligten, an erster Stelle bei Frau Hüster, für meine absolut nicht gutzuheißende Aktion aufrichtig entschuldigen. Im Nachhinein wird mir klar bewusst, dass dies eine schändliche Handlung im Affekt und eine Überreaktion war.

Dennoch möchte ich festhalten, dass es in dieser für das Theater schwierigen Nach-Coronazeit für alle Medien, auch das Feuilleton renommierter Printmedien, angebracht wäre, eine gewisse Form der destruktiven, verletzenden und den gesamten Kulturbetrieb schädigenden Berichterstattung zu überdenken. Hinter jeder Theaterproduktion stehen viele Menschen, die ihr Herzblut dafür geben. Gerade weil ich auch eine Person des öffentlichen Lebens bin, kann ich nicht alles schweigend hinnehmen. Aber ich gebe zu: Meine aus der nervlichen Belastung zweier kurz aufeinander folgenden Premieren (9.2. Den Haag, 11.2. Hannover) zu erklärende Attacke auf Frau Hüster hat, wie ich völlig einsehe, die Grenzen vertretbarer Formen des Nicht-Schweigens ohne Zweifel weit überschritten.

Zugleich möchte ich aber auf Folgendes hinweisen: In einer Zeit, die auf alles, was wir tun und sagen, so sensibel reagiert, muss sich auch die Kulturkritik – und dies ausdrücklich auch unter der unstrittigen Prämisse der Meinungs- und Pressefreiheit – die Frage stellen, wo sie die Grenze zur Beleidigung, Verunglimpfung der Werke, zum Mobbing, zum Versuch negativer Meinungsmache und zur Geschäftsschädigung verletzt.

Dies hat Frau Hüster, jedenfalls mir gegenüber (und manche, wenn auch nicht alle, Kollegen und Kolleginnen werden das bestätigen können), seit Jahren immer wieder auf mehr oder weniger subtile Weise mit ihren oft gehässigen Kritiken praktiziert. Ich bitte um Verzeihung dafür, dass mir letztlich der Kragen geplatzt ist. Ich bitte aber auch um ein gewisses Verständnis zumindest für die Gründe, aus denen dies geschehen ist."

Quelle: www.nadjakadel.de

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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