Nach Dracula kommen Kafka und Brecht
Das Schauspiel mit Klassikern und Gegenwartsdramatik

Von Heribert Vogt
Heidelberg. Wenn im Sommer 2018 bei den Heidelberger Schlossfestspielen "Dracula" nach Bram Stoker in den Schlosshof einzieht, begegnen die Besucher dem Klassiker unter den Beißern (29. Juni). Dass aber auch literarisch Klassiker durchaus Biss haben, das zeigt ihre starke Präsenz im Schauspiel der nächsten Spielzeit. Und dass die ausgewählten zeitgenössische Dramen kräftig zubeißen, erwartet man ohnehin in einer Weltlage, in der nicht selten die Devise "Fressen oder gefressen werden" angesagt ist.
Der erste Klassik-Blockbuster ist Friedrich Schillers "Don Karlos" (13. Oktober), in dem es um das allgegenwärtige Spannungsfeld von Überwachungsstaat und Freiheit geht - Posas Forderung "Geben Sie Gedankenfreiheit!" ist berühmt. Ein weiteres klassisches Schwergewicht ist Henrik Ibsens "Peer Gynt" (6. Dezember) mit einer Identitätssuche, die auch in der labyrinthischen Gegenwart angesagt ist. Für dieses Szenario bestens geeignet ist zudem "Der Prozess" nach Franz Kafka (2. März) - ein Mensch gerät vor ein undurchschaubares Gericht.
Wie die Faust aufs Auge passt hier Bertolt Brechts und Kurt Weills Welterfolg "Die Dreigroschenoper" (23. Juni): Darin heißt es: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral".
Hinzu gesellen sich zwei moderne Klassiker: zum einen George Taboris Farce "Mein Kampf" (23. November), die in einer Konstanzer Inszenierung hohe Wellen schlug und hineinführt in die Debatten um Judentum und Antisemitismus in Deutschland. Zum anderen ist Peter Turrinis "Josef und Maria" zu nennen (November). In dem "Weihnachtsstück" sind an die Stelle des Stalls in Bethlehem ein Kaufhaus, an die Stelle des Jesuskindes eine Schnapsflasche getreten. Die Aufführung findet im Kaufhof am Bismarckplatz statt.
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Auch die Auftaktpremiere "Justizmord des Jakob Mohr" (15. September) von Eva Kotátková beißt sich in die Heidelberger Stadtszenerie. Denn der Gärtner Jakob Mohr war um 1910 Patient der hiesigen Psychiatrie und hatte sein soziales Ansehen verloren. Das in Zusammenarbeit mit der Sammlung Prinzhorn und der Klinik für Allgemeine Psychiatrie durchgeführte Projekt wird im Haus der Johannesgemeinde Neuenheim gezeigt.
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