Ab in die Hängematte
Wie fühlt es sich an, wenn man vor dem Spiegelzelt in einem Buch schmökert? Zur Lektüre empfiehlt sich die druckfrische Anthologie von Michael Buselmeier mit Texten und Bildern über das Schloss

Was für ein Arbeitsplatz! RNZ-Feuilletonchef Volker Oesterreich rezensiert in einer Hängematte auf dem Heidelberger Universitätsplatz den neuen Buselmeier. Im Rahmen der Aktion "StadtLesen" wurden Hängematten zusammen mit roten und schwarzen Sitzsäcken sowie Bücherregalen vor dem Spiegelzelt der bis zum 19 Juni dauernden Literaturtage aufgestellt. Foto: Friederike Hentschel
Von Volker Oesterreich
Heidelberg. Da hängen sie nun, die Matten vor dem Spiegelzelt der Heidelberger Literaturtage. Sie laden in den nächsten Tagen ein zum Relaxen vor und nach den vielen Veranstaltungen. Das macht Laune und weckt die Neugierde auf einen Selbstversuch: Wie fühlt es sich an, wenn ich mitten auf dem Universitätsplatz eine Neuerscheinung rezensiere? Zum Beispiel die druckfrische Anthologie "Alles will für dich erglühen - Das Heidelberger Schloss in Texten und Bildern", zusammengestellt vom literarischen Lokalmatador Michael Buselmeier, der auch diesmal wieder bei den Literaturtagen als kulturkundiger Stadtführer mitmischt.
Das Bändchen ist schmal, ich bin es nicht. Droht also die Hängematte zu reißen, wenn ich mich lesend in sie hineinlege, um so dem WM-Hype symbolisch die kalte Schulter zu zeigen? Gewagt, getan. Die Matte der Aktion "StattLesen" hat die Belastungsprobe überstanden. Ich auch. Das Buselmeier-Bändchen erst Recht! Krummrückig blättere ich darin und empfinde Vieles berückend. Einige der Textbeispiele hat Buselmeier schon vor Jahr und Tag in seinem "Heidelberg Lesebuch" veröffentlicht. Das macht nichts. Das Taschenbuch aus dem Insel-Verlag ist längst vergriffen.
Der älteste Beitrag stammt vom letzten aller Minne-Dichter: Oswald von Wolkenstein. Seine Schloss-Huldigung entstand 1427/28. Sie gleicht einer literarischen Liebedienerei vor dem Landesherren: "Hoch auf den berg schrayt ich gen hof gar an die tür / zw herczog ludwig, den ich für alle fürsten spür". Wer so schreibt, schielt auf Moneten aus der Mäzenaten-Schatulle. Ob Kurfürst Ludwig III. ein paar pfälzische Goldgulden für den einäugigen Oswald locker gemacht hat, ist nicht überliefert.
Blätternd und lesend lande ich bei Hölderlins "schicksalskundiger Burg", natürlich auch bei Uhland, Marianne von Willemer oder good old Goethe. Aber Buselmeier hat auch Absonderlichkeiten berücksichtigt, etwa die elfzeilige Notiz "Weiße Kerzen" (1920/21) aus der Feder des späteren NS-Propagandaministers Joseph Goebbels. Die Kastanien oben auf dem Schlossberg erinnerten das hinkende Großmaul an Kerzen, während er beim Blick Richtung Vogesen an die Trommelfeuer des Ersten Weltkriegs dachte.
Auf anderen Seiten entdecke ich Kitschiges von Kaiserin Sissi, Nachdenkliches von Karl Jasper und Weinseliges von Charles Bukowski. Ausgewählt wurde außerdem Friedrich Gundolfs "Brief an Stefan George", verfasst 1919. Darin wendet sich der Germanist an den "teuersten Meister" und empfiehlt ihm den "Palazzo unmittelbar neben dem Schloß" als Domizil; er käme für George "in Betracht wie nichts anderes".
Im Rahmen der Heidelberger Literaturtage wird sich der bald 80-jährige Buselmeier übrigens gemeinsam mit Hans-Martin Mumm auf die Spuren des vor 150 Jahren geborenen George begeben (17. Juni, 11 Uhr, Treffpunkt: Spiegelzelt auf dem Uniplatz). Nach der Tour darf man gratis in den Matten abhängen.
Info: Michael Buselmeier (Hg.): "Alles will für dich erglühen - Das Heidelberger Schloss in Texten und Bildern". Morio-Verlag, Heidelberg 2018, 160 S., 18 Euro. Am 29. Juni wird das Buch um 19.30 Uhr in der Bücherstube an der Tiefburg vorgestellt.