Wieder Gesang in der Neuen Aula
Bariton Christian Gerhaher und Gerold Huber in der Neuen Aula der Heidelberger Universität

Von Matthias Roth
Heidelberg. Keine Frage: Christian Gerhaher ist der derzeit bedeutendste deutsche Liedsänger und der würdigste Nachfolger des "Jahrhundertsängers" Dietrich Fischer-Dieskau. Dass er jetzt in Heidelberg sang, kurz nach seinem Debüt als Lear in Aribert Reimanns grandioser Shakespeare-Oper in München, hat zwei Gründe: Seine enge Beziehung zum Heidelberger Frühling und damit zum Liedzentrum. Zum anderen aber auch der offenbar in Heidelberg vor Jahren ausgeheckte Plan, sämtliche 299 Lieder Robert Schumanns für Sony einzuspielen, ein Unternehmen, das jetzt kurz vor dem Abschluss steht.
So gab es nun in der Neuen Aula ein fast reines Schumann-Programm mit späten Liedern. Es sind wundervolle Stücke, meist auf Texte verschiedener Autoren, und dennoch stiften Musik, romantische Stimmung und spezifischer Ausdruck ein Verbindendes.
Der dunkle Wald, eine mächtige Gewitterwolke, die finstre Nacht: Gerhaher weiß den Klang seiner Stimme genau der Situation anzupassen, die Übergänge sind geschmeidig und oft unmerklich. Das Klavier unter Gerold Hubers genialen Fingern unterstützt das: Beide Künstler sind eine über Jahre gemeinsamer Arbeit verbundene Einheit. Aber es war nicht nur das, was diesen Liederabend auszeichnete, dem 240 Besucher maskenbewehrt lauschten, hinzu kam, dass der Sänger den bitteren Ernst, der in vielen dieser Lieder steckt, nicht unter einem Mantel aus Gefälligkeit versteckte. Dieser Künstler nimmt jedes Wort, jeden Takt, jede Phrase und jeden Reim - auch wenn diese eher schlicht sind - für bare Münze. Denn durch die Musik wird jedes Wort veredelt. Dafür ist auch Hubers ebenso detailversessen-expressives wie einfühlsames Klavierspiel verantwortlich.
Die sechs Lieder von Debussy waren uns aber trotz größter Differenzierung nicht duftend genug vorgetragen. Den Texten Mallarmés, die man selbst mit Übersetzung kaum versteht, entging ein wirklich sphärisches Moment. Die eingeschobenen Mignon-Lieder und die antimilitaristischen Lenau-Lieder waren so die Höhepunkte, die abschließenden "Drei Gesänge" op. 83 eine Erfüllung: Nach langer Pause endlich wieder Gesangskunst! Zugabe aus op. 95.



