Das Heidelberger Klangforum wird 30
Das Jahresprogramm gilt dem Thema "Würde" und gibt die Gelegenheit, die Ohren wieder neu auszurichten.

Von Jesper Klein
"Feiern tun wir sowieso nicht so gern, wir machen lieber Musik", sagt Walter Nußbaum, Künstlerischer Leiter des Heidelberger Klangforums, mit Blick auf das nun vorgestellte Jahresprogramm. Zum 30-jährigen Bestehen hat sich der auf zeitgenössische Musik spezialisierte Verein ein anspruchsvolles und weit gefasstes Thema ausgesucht: die Würde.
Zunächst mag einem dabei der erste Artikel des Grundgesetzes in den Sinn kommen. Doch dem Klangforum geht es ausdrücklich nicht darum, Gesetzestexte zu vertonen. Vielmehr sollen gemeinsam mit den Komponisten und begleitet von Rahmenveranstaltungen, etwa mit dem Philosophen Enno Rudolph, verschiedene Aspekte schlaglichtartig erhellt werden: Menschenwürde, Tierwürde, Roboterwürde? Das Thema soll zum Nachdenken anregen, durch die Pandemie hat es weiter an Aktualität gewonnen.
"Kunst ist etwas, das die Zeit, in der man lebt, in irgendeiner Weise abbildet", beschreibt Walter Nußbaum das grundsätzliche Kunstverständnis des Klangforums. Sie reagiere, ob bewusst oder unbewusst, auf das Geschehen in der Welt. So klingt in den Konzerten des Klangforums oft eine soziale oder politische Dimension an, je nachdem, wie die Komponisten von ihrem jeweiligen Standpunkt aus Stellung beziehen.
Dabei wird der Blick bewusst auch auf die Historie und geistige Hintergründe gerichtet, um Zusammenhänge zwischen Vergangenheit und Gegenwart herzustellen. Wer etwa in die Strukturen isorhythmischer Motetten aus dem 14. Jahrhundert eintaucht, merkt, dass sie in puncto Komplexität zweifellos mit zeitgenössischen Werken mithalten können. "Man muss sich immer wieder klarmachen, dass die alte Musik in ihrer Zeit die neue Musik war", sagt Geschäftsführer Dominique Mayr. So schwingt neben den Uraufführungen als Herzstück beim Klangforum immer auch die Frage mit, was uns alte Musik Neues über ihre Zeit sagen kann.
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Diese oft bereichernden Kulturbegegnungen spiegeln sich vielfach im Programm wider. Etwa wenn nach geplanten Gastspielen in Basel und Bergen die beiden Ensembles des Klangforums, die Schola Heidelberg und das ensemble aisthesis, beim "Heidelberger Frühling" auftreten. Am 1. April trifft dann eine Bachkantate auf ein dazu passendes Auftragswerk der Komponistin Lisa Streich. Der Reichtum an Perspektiven wird im Juni deutlich, wenn Konfuzius und die chinesische Kultur im Zentrum stehen. Im September wird die künstliche Intelligenz in den Blick genommen, als Höhepunkt ist für den Oktober ein viertägiges Jubiläumsfestival geplant. Das Publikum kann sich also darauf einstellen, die Ohren immer wieder neu auszurichten.
Grundsätzlich sei das Heidelberger Klangforum bisher gut durch die Pandemie bekommen, berichtet Dominique Mayr. Gerade in kleineren Ensembles, die kompliziertes Repertoire erarbeiten, lassen sich personelle Ausfälle oft nicht ohne Weiteres kompensieren. Das Programm ist durch die Förderung "Neustart Kultur" gesichert, überhaupt sei der Zusammenhalt der Kulturinstitutionen gewachsen. Das Klangforum startet in das Jubiläumsjahr an diesem Freitag mit der Themenvorstellung, einer Uraufführung von Márton Illés und Musik von Guillaume Dufay. Das Konzert ist jedoch bereits ausverkauft.



