Corona-Krise

Musiker, Maler und Schauspieler sind angeschmiert

Kleine Dinge zählen - Absagen beuteln Kulturszene

20.03.2020 UPDATE: 22.03.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 24 Sekunden
Das Festivalzentrum für den „Heidelberger Frühling“ wurde auf dem Uniplatz noch vorgestern aufgebaut – doch nun wird das Musik-Ereignis nicht stattfinden. Foto: Rothe

Von Matthias Roth

Heidelberg. In der Familie soll man nun viel kuscheln, sagt der Papst. Es sei wichtig, solche "kleinen Dinge" nicht zu vergessen. Prompt sollen in Frankreich die Kondom- und Rotwein-Regale leer sein. Hierzulande konzentriert man sich auf ... naja. Viele sagen einen Babyboom voraus. Zur Scheidungsrate gibt es keine Prognosen, aber das erzwungene Zusammenleben auf engem Raum hat auch Tücken.

Ich habe nur meine Uhr verlegt. Nix besonderes. Ließ sie wohl in einer Toilette liegen, als ich mir die Hände wusch. Sang zwei Mal "Happy Birthday" oder Bachs Arie "Komm süßer Tod" oder, als die Seife alle war, "I can’t get no Desinfection!" und ließ sie dann irgendwo liegen. Ein kleines Ding, nicht teuer, aber ich vermisse sie trotzdem. Allzeit zeitlos also derzeit, wo jeder Gang zum Supermarkt gefährlich ist und unsere Gewohnheiten zum Risiko geworden sind. Wenn nicht für uns, dann für andere.

Leipzig ist optimistisch und hat das Bachfest im Juni noch nicht abgesagt – es wird derzeit kräftig beworben. Optimismus sei die Krankheit jener, die zu wenige Informationen haben, heißt es; aber ganz ohne Vertrauen darauf, dass alles wieder gut wird, ist auch schlecht. Man muss es als Chance begreifen: Weniger Flüge und Autoverkehr – wunderbar fürs Klima! Weniger Gondolieres – die Delfine kommen nach Venedig zurück! Weniger Kneipen-, Konzert- und Theaterbesuche – gut für den Geldbeutel!

Doch da fängt die Sache an, zu haken. Musiker, Maler oder Schauspieler/Tänzer sind wirklich angeschmiert derzeit, vor allem frei schaffende. Keine Gagen, keine Unterrichtshonorare: Das ist ein tief greifender Einschnitt. Der Mannheimer Verein der Kammermusikfreunde im REM ruft dazu auf, das Geld für Konzertkarten, die schon gekauft wurden, nicht zurückzufordern, sondern zu "spenden". Es hilft jenen, die jetzt kein Einkommen mehr haben für Wochen, Monate. Solidarität im Kleinen.

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Eine Kollegin fragte, gerade vom Urlaub zurück, ob wir denn schon Däumchen drehen in der Redaktion: Nein, tun wir nicht. Aber im Vergleich zu sonst in dieser Jahreszeit – heute hätte der Heidelberger Frühling 2020 begonnen! – ist das Themenangebot quasi auf Null geschrumpft. Jetzt, wo die Leser Zeit haben, das Blatt ausführlich zu studieren, nur noch Katastrophenmeldungen! Andererseits haben wir nun auch mal die Muße, Dinge zu reflektieren, die lange aus Zeitmangel über den Tellerrand fielen: kleine Dinge eben.

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