Chris Farlowe und seine Erinnerungen an Heidelberg
Nach ihrer Wiedervereinigung sind Colosseum wieder auf Tour. Am Freitag spielt die Band mit Chris Farlowe (82) im Rex.



Sänger der Prog-Rock-Band Colosseum
Von Peter Wiest
Bensheim/Heidelberg. Gut 57 Jahre ist es her, dass Chris Farlowe die internationalen Bühnen betrat. Mit der Jazz- und Prog-Rock-Band Colosseum setzte er eine spezielle musikalische Duftnote. Vor dem Auftritt im Rex sprach Peter Wiest mit dem mittlerweile 82-jährigen Sänger über Musik früher und heute, alte Freunde wie Mick Jagger und Erinnerungen an Heidelberg.
Chris, über dich geht die Legende um, dass du deine Anrufe üblicherweise mit "Out of Time" beantwortest, also sinngemäß mit "Du bist zu spät dran", dem Titel deines großen Hits. Jetzt hast du aber einfach nur "Hallo" gesagt. Was stimmt denn nun?
Chris Farlowe: Ja, ich habe Hallo gesagt, weil ich wusste, dass Du anrufen würdest. Und du bist ja nicht zu spät dran. Andere sind’s aber manchmal schon, und dann melde ich mich auch mal so ... (schmunzelt).
1966 war "Out of Time" in derselben Woche Nummer eins der britischen Charts, in der England auch das Fußball-WM-Finale gegen Deutschland gewann. Was war wichtiger für dich?
Na ja, für mich selbst war natürlich meine erste Nummer 1 das Wichtigste, auch wenn der WM-Sieg die ganze Nation in Glückseligkeit versetzte. Ich saß damals gerade mit meinen Eltern zusammen, als es an die Tür klopfte und ein Nachbar sagte, da stehen lauter Fotografen vor dem Haus, die ein Bild von dir machen wollen. Als ich fragte, warum, kam die Antwort "Was? Du weißt es noch gar nicht? Deine Platte ist auf Platz eins gelandet". Da war ich natürlich auf meine Art der doppelt glückseligste Mensch in ganz England.
Hast du noch Kontakt zu Musikern von damals, von denen einige ja bereits Stars waren und viele später noch größere wurden?
Ja, alle, die ich von damals kenne, sind auch noch heute meine Freunde. Mick Jagger und Keith Richards natürlich; ebenso Jimmy Page, Van Morrison, und andere mehr. Das hat alles bis heute gehalten, und wir sehen uns auch immer wieder mal. Gerade bin ich auch mal wieder mit Van Morrison aufgetreten, und Ronnie Wood ist auch dazu gekommen. Und mit Jimmy Page war ich im Studio. Mal gucken, was da noch kommt; wir sind ja noch jung (lacht).
Ja in der Tat, du bist grade erst 82. Was ist aus deiner Sicht der Unterschied zwischen der Musik-Szene, wie sie in deinen ersten Jahren war, und der heutigen?
Damals in den alten Zeiten war die Musik halt einfach nur total fantastisch; das kann man gar nicht anders sagen. Heute gibt es eigentlich kaum etwas, was man damit vergleichen könnte. Denk doch nur mal an Bands wie Led Zeppelin, The Who, die Stones; sowas gibt’s doch heute nicht. Oder doch: Viele von ihnen sind ja noch immer aktiv und unterwegs. Ich denke halt schon, dass die Musik damals einfach besser war als heute. Seht es mir nach, bitte; für mich ist es nunmal so.
Worin besteht dann der Reiz, heute noch Musik zu machen, wie du es ja immer wieder machst?
Na ja, nicht zuletzt darin, dass wir halt auch immer wieder auch die alten Sachen ausgraben und singen und spielen, weil sie halt nach wie vor so toll klingen.
Wie sieht es denn sonst aus in der Szene heute? Noch immer Sex and Drugs and Rock’n’Roll?
Nein, zumindest nicht für mich. Ich bin dafür mittlerweile dann doch zu alt dafür, abgesehen vom Rock’n‘Roll natürlich, für den ich nie zu alt sein werde.
Wie ist das mit Colosseum, die zum wiederholten Mal wieder zusammengekommen und auf Tour gehen?
Einfach nur wunderbar. Es ist herrlich, wieder gemeinsam aufzutreten und Konzerte zu geben, noch immer vor Tausenden von begeisterten Fans. Besser geht nicht! Es macht so viel Spaß! Ich liebe es ja sowieso zu singen, und mit dieser Band ist es das Nonplusultra. Ich bin sicher, das wird noch lange so weiter gehen. Aus meiner Sicht so lange, bis mich der liebe Gott irgendwann in derzeit hoffentlich noch weiter Ferne abberuft.
Am Freitag, 22. September, tretet ihr im Rex in Bensheim auf, wo du schon oft warst. Was ist so besonders an Auftritten hier für dich?
Das Ambiente und das Publikum im Rex sind einfach toll und waren es schon immer. Außerdem sind wir von Margit Gehrisch, die ja jetzt in den Ruhestand gegangen ist, immer unglaublich freundlich empfangen worden. Für meine Freunde und mich war es deshalb auch selbstverständlich, ein Konzert zu ihrem Abschied zu geben, was wir ja dann auch getan haben.
Hast du noch Erinnerungen an Heidelberg, wo du Anfang der 1970er- Jahre zweimal mit Colosseum in der Stadthalle aufgetreten bist?
Ja, ein bisschen, auch wenn das verdammt lange her ist. Ich erinnere mich an die Stadt, die mir sehr gut gefallen hat, die Universität und auch das Nachtleben; wir waren damals nach den Konzerten in einem tollen Club, wenn ich mich recht erinnere (Das Cave 54 in der Krämergasse; Anm. d. Redaktion)
In all den Jahren, die du auf der Bühne stehst, hat sich deine Stimme kein bisschen verändert, klingt eher sogar noch kräftiger als je zuvor. Das ist schon ungewöhnlich, wenn man an andere Sänger denkt, die mit den Jahren stimmliche Probleme bekommen haben, wie etwa Ian Anderson von Jethro Tull. Wie schaffst du das?
Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Ich hab sie halt nunmal, diese Stimme, und ich bin dankbar dafür. Ich tue da auch gar nichts Besonderes dafür, mache keine Gesangsübungen oder so, niemals. Ich geh einfach rein in die Proben mit der Band oder rauf auf die Bühne, und dann läuft das eben. Und was Ian Anderson anbelangt: Er hat ja noch seine Flöte, und sein Flötenspiel ist besser, als es jemals war.
Was werden wir in Bensheim von Colosseum zu hören bekommen?
Hauptsächlich alte Songs, viel von unserem 1971-er Live-Doppel-Album, mit Stücken wie "Lost Angeles" und so. Aber durchaus auch ein paar Songs vom neuen Album "Restoration", das wir ja erst voriges Jahr veröffentlicht haben. Ich kann nur sagen: Freut euch auf einen tollen Abend mit super Musik in tollem Ambiente; wir werden alle zusammen eine richtig gute Zeit haben.
Info: Bensheim, Freitag, 22. September, 20.30 Uhr, Musiktheater Rex. Karten für 39,85 Euro.