150 Jahre Heidelberger Kunstverein

Ein Ort des bürgerlichen Diskurses

Der Kunstverein feierte unter dem Motto "150 Jahre Gegenwart" mit großem Fest und einer Mitgliederausstellung

07.07.2019 UPDATE: 08.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden

Gelungene Hängung (im Uhrzeigersinn von links oben): Rose-Susanne Gärtner "Un Moment Musical", Heinrich Tessmer "Saulus" und Sven Kalb "Quadrat". Zu sehen ist die Schau bis 25. August. Foto: Matthias Roth

Von Matthias Roth

Heidelberg. Es wurde viel gewunken, noch bevor das große Jubiläumsfest begonnen hatte. Zeichen, dass man sich kennt, sich sucht, sich findet, auch wenn die Räumlichkeiten des Heidelberger Kunstvereins die Menschenmenge beinah nicht fassen kann. Rund 800 Mitglieder zählt der Verein, der an diesem Wochenende vor 150 Jahren gegründet wurde und in Relation zur Einwohnerzahl der Stadt einer der größten in der Republik ist. Und es fühlte sich an, als wären fast alle gekommen, um das Jubiläum in der Halle und im Garten zu feiern.

Julia Philippi, selbst Galeristin und Erste Vorsitzende des Kunstvereins sowie Kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Stuttgarter Landtag, begrüßte nicht nur die Mitglieder, sondern auch die vielen Ehrengäste und Festredner. Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner beschwor den Kunstverein sodann als "Ausdruck unserer Stadtgesellschaft", und Meike Behm, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine, erinnerte an die mehr als 220-jährige Tradition dieser "Bürgerinitiative für die Kunst", die in Nürnberg 1792 als "diskursives Forum von Bürgern für Bürger" ihren Anfang nahm. Festredner Prof. Thomas Wagner von der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg lobte die Tatsache, dass man im Kunstverein "ohne viele Umstände einen Zugang zur Gegenwartskunst" erhält, auch wenn es sich eigentlich um "eine Tradition der Elite" handele. Der Strukturwandel in der Gesellschaft und die neue Beschaffenheit der Medien sah er als größte Herausforderungen heutige Kunstvereins-Arbeit.

Die jetzige Direktorin der Heidelberger Institution, Ursula Schöndeling, beschränkte sich weitgehend auf die Eröffnung der ersten Mitgliederausstellung in der Geschichte des Vereins: Hier geht es darum, dass die Mitglieder zeigen, was bei ihnen im Wohnzimmer hängt, mit welcher Kunst sie leben. 133 Kunstwerke kamen so zusammen und sind nun in der großen Halle, auf der Galerie und im Studio zu sehen. Die größte Aufgabe, so Schöndeling, sei es gewesen, die unterschiedlichen Stile und Formate so zu hängen, dass sich die Werke nicht gegenseitig erschlagen, sondern sich Korrespondenzen ergeben. Das ist hervorragend gelungen, und da es einige wirkliche Sammler unter den Mitgliedern gibt, finden sich auch viele hochkarätige Werke darunter - neben Malerei auch Fotografie und Plastiken. Der Rundgang lohnt, vor allem mit dem Ausstellungsheft in der Hand, in dem jeder Besitzer ein paar persönliche Worte zu dem mitteilt, was er zur Verfügung stellte.

Gestern Morgen gab es dann vier "Festgespräche", und Ministerin Theresia Bauer ließ es sich nicht nehmen, zugegen zu sein. Sie merkte in einem Grußwort an, wie wichtig gerade heute der "offene, unabhängige Diskurs der Gesellschaft sei", für den die Kunstvereine der richtige Ort sind, gerade wenn Teile der gewählten Volksvertreter "Neue Töne" anschlagen, die "fatale Erinnerungen" wecken. "Die Kunstfreiheit muss verteidigt werden!", rief Bauer und erhielt brausenden Beifall.

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Bei den Podiumsgesprächen saßen neben Ursula Schöndeling unter anderem drei ihrer Vorgänger und somit fast 50 Jahre Kunstvereins-Arbeit auf der Bühne: Hans Gercke, Johan Holten und Susanne Weiß. Den 1. Teil der "Chronik" des Kunstvereins, der unter dem Titel "150 Jahre Gegenwart" in Form einer Zeitung ausliegt, vertiefte Hans Gercke, der den Verein 36 Jahre lang geleitet hatte, mit Erinnerungen auch an einige Konflikte innerhalb des Vereinsvorstands und des Beirats, die heute allerdings alle Geschichte sind.

So provozierten die erste Ausstellung der Sammlung Prinzhorn Teile der Heidelberger Universität und die Einmischung in die Stadtsanierungspläne des damaligen Oberbürgermeisters Reinhold Zundel den Gemeinderat. Die "schmerzlichsten Niederlagen" seiner Amtszeit seien allerdings die letztlich gescheiterten Versuche der Neugestaltung des Uniplatzes durch Dani Karavan und die Ablehnung der Schreiter-Fenster in der Heiliggeistkirche gewesen: An beiden Projekten hatte der Kunstverein als Ort des bürgerlichen Diskurses starken Anteil.

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