Plus Der Tod ist mir nicht unvertraut

Ein Gespräch über das Leben und Sterben

Elke Büdenbender und Eckhard Nagel stellen sich dieser Dynamik mit einem Buch entgegen

15.03.2022 UPDATE: 16.03.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 9 Sekunden
Über die Auseinandersetzung Ruhe gefunden: Elke Büdenbender und Eckhard Nagel. F.: dpa

Von Ulrich Steinkohl

"Wir haben uns verabredet, um über das Sterben zu sprechen"– so sagt es Elke Büdenbender am Anfang ihres zusammen mit Eckhard Nagel herausgegebenen Buches "Der Tod ist mir nicht unvertraut". Die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bringt darin ihre Erfahrungen als Richterin, aber auch als Betroffene einer schweren Nierenkrankheit ein. Eckhard Nagel wiederum ist Chirurg und Doktor der Philosophie.

Ein Buch über das Sterben und den Tod – was hat Sie dazu veranlasst?

Büdenbender: Ich war im Jahr 2020 erschüttert über die Todeszahlen infolge der Pandemie. Ich habe mich gefragt: Warum bekommen wir das nicht in den Griff? Und: Warum sprechen wir darüber so wenig? Dann habe ich überlegt, ich würde gerne etwas dazu machen. Auch über die Einsamkeit des Sterbens. Das war ja damals unglaublich hart. Aus einem Interview, das ich dazu gegeben habe, ist dann gemeinsam mit Eckhard Nagel die Buchidee entstanden. Er ist ein enger und langjähriger Freund, Arzt, Chirurg, Philosoph und Theologe. Und er hat uns auch in schwierigen Situationen begleitet. Nagel: Ich würde die Frage etwas verändern: Was hat uns veranlasst, darüber zu sprechen? Anfangs waren wir nicht sicher, ob sich aus unserem Dialog inhaltlich die Grundlage für eine Verschriftlichung ergeben würde. Aber dann ist daraus eine Gedankenreise geworden, die wir gemeinsam unternommen haben – durch unsere Leben und unsere Erfahrungen, persönlich und beruflich. Büdenbender: Es war für alle ein Experiment. Ich glaube, wir sind wirklich so gut wie alle Aspekte des Sterbens und des Todes durchgegangen und haben für uns sehr viel gewonnen. Und gleichzeitig ist es ein Thema, dass jede und jeden angeht. Der Tod betrifft uns alle!

Und trotzdem ist er fast ein Tabuthema. Wie erklären Sie sich das?

Nagel: Die Frage, wie intensiv man in einer Gesellschaft mit dem Tod umgeht, hängt ja sehr mit ihrer Verfasstheit zusammen, mit ihren Idealen, mit den Dingen, nach denen man strebt. Wir haben aufgezeigt, dass es vor allem im Mittelalter eine "Ars Moriendi" (Kunst des Sterbens) gab, eine klare Vorstellung, wie man die Welt verlassen sollte. Damals wollte man das Sterben bewusst wahrnehmen, sich darauf vorbereiten. Das hat sich völlig geändert. Das Zerbrechliche oder Gebrechliche, das Begrenzte steht heute nicht hoch im Kurs. Wir machen möglichst einen Bogen darum. Insofern ist der Tod und damit die Endlichkeit der Existenz immer weiter aus unserem Alltag geschwunden. Büdenbender: Ich denke auch, dass mit dem Schwinden der Religiosität viel Orientierung verloren gegangen ist, wenn wir über unser eigenes Ende, unser Sterben oder den Tod nachdenken.

Was würde es bewirken, wenn man mehr über den Tod sprechen würde?

Nagel: Unser Plädoyer ist eindeutig: Wenn man die Endlichkeit ins eigene Leben integriert, dann gewinnt das Leben auch. Büdenbender: Jeder möchte möglichst zurückblicken auf ein Leben, mit dem er oder sie zufrieden sein kann. Und wenn ich mich mit meiner Sterblichkeit auseinandersetze, dann, komme ich eher zu dem Punkt, wo ich sage, was ich möchte und was ich nicht möchte, was ich gut und was ich schlecht finde. Ich glaube, das kann wirklich ein Motor sein, um über das eigene Leben und vor allen Dingen über die Beziehung zu anderen Menschen nachzudenken. Darum geht es ja auch ganz stark in unserem Buch.

Haben die Menschen vielleicht weniger Angst vor dem Tod an sich als vor einem schmerzvollen Weg dahin?

Büdenbender: Ich glaube, die Sorge, wie ich sterbe, treibt viele Menschen um. Ist das mit großen Qualen verbunden? Und wie will ich den Weg dahin gehen? Nagel: Ganz klar – die Angst, die Menschen haben, betrifft zuerst einmal den Weg in den Tod. Ich will nicht negieren, dass es in Einzelfällen immer wieder außergewöhnlich leidvolle Erkrankungen gibt. Ich bin sehr beeindruckt davon, wie Menschen das tragen und diesen Weg gehen. Gleichzeitig ist heute durch die Palliativmedizin und die Hospizbewegung ein Umfeld möglich, das einen großen Teil dieser Ängste nehmen kann. Es gibt eine sorgsame, in der ärztlichen Sterbebegleitung ausgebildete Form der medizinischen Entlastung, die zusätzlich durch Menschen, die da sind und im wahrsten Sinn des Wortes die Hand halten, viel Erleichterung geben kann. Aber das bedeutet eben auch, dass dieses Sterben dann integriert werden muss in unsere Vorstellung vom Sterben.

Was hat die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema in Ihren Gesprächen bei Ihnen selbst bewirkt?

Büdenbender: Ich habe für mich eine große Ruhe gefunden. Weil ich weiß, ich habe etwas ausgesprochen, von dem ich glaube, dass es für jeden Menschen auf die ein oder andere Weise wichtig ist. Und wenn dies die Menschen erreichen könnte, wäre das sehr schön. Nagel: Die innere Verortung des Sterbens und die Auseinandersetzung damit hat mir geholfen, mich ein Stück weit vorzubereiten. Das ist vielleicht der wichtigste Aspekt: Wenn man sich mit dem Sterben ganz persönlich auseinandersetzt, kommt eine innere Bewegung in Gang, die es ermöglicht, Offenheit zu gewinnen und die eigene Begrenztheit nicht mehr als Bedrohung, sondern eben auch als Daseinszustand wahrzunehmen. So wie Elke gesagt hat: Das beruhigt.

Info: Elke Büdenbender, Eckhard Nagel: "Der Tod ist mir nicht unvertraut". Ullstein, 220 Seiten, 24 Euro.

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