Jean-Michel Basquiat

Explosiv-expressiv

Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet dem US-Künstler Jean-Michel Basquiat eine einmalige Schau

02.03.2018 UPDATE: 10.03.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden

Jean-Michel Basquiat: Glenn, 1984. Acrylic, oil stick and photocopy, collage on canvas, Private collection, © VG Bild-Kunst. Bonn, 2018 & The Estate of Jean-Michel Basquiat, Licensed by Artestar, New York. Foto: Schirn Kunsthalle Frankfurt

Von Susann Behnke-Pfuhl

Basquiat in Deutschland! Mehr als 15 Jahre nach seiner letzten großen Ausstellung in der Kunsthalle Würth in Künzelsau widmet nun die Schirn in Frankfurt dem US-Ausnahmekünstler, der 1988 mit 27 Jahren an eine Überdosis Drogen starb, eine umfassende Schau. Gezeigt werden nicht nur seine berühmten Gemälde, sondern auch Zeichnungen, Notizbücher, Objekte, seltene Filme, Fotografien, Musik und Archivmaterial aus dem Umfeld des Künstlers. Bislang konnte man nur in wenigen retrospektiven Ausstellungen einen Blick auf die explosiv-expressiven Bilder werfen - umso mehr erfreut das Ereignis in Frankfurt.

Mit Jean-Michel Basquiats Bildern wird auch das New York der 1970er und 1980er Jahre lebendig, die extrem quirlige Downtown-Szene, die für viele, die zu der Zeit dort waren, in besonderer Erinnerung geblieben ist. Die Finanzkrise der Stadt, eine hohe Kriminalitätsrate und die Verwahrlosung ganzer Stadtviertel kennzeichneten die Amtsperiode des umstrittenen Bürgermeisters Ed Koch. Gleichzeitig entfaltete sich in Soho, Greenwich Village und East Village eine Subkultur, die bis heute stilprägend wirkt. Madonna nahm hier ihre ersten Platten auf, in East Harlem erfanden DJs den Rap, getanzt wurde zu Funk, Wave und Disco.

In jener Zeit sprayte Basquiat unter dem Pseudonym Samo© provozierende Graffiti auf die Hauswände des neuen Galerieviertels Soho. Kurz darauf spielte er in dem Film "New York Beat" die Hauptrolle - einen verarmten Künstler, der berühmt wird.

Dieser Film nahm den kometenhaften Aufstieg des 1960 in Brooklyn als Sohn karibischer Einwanderer geborenen Künstlers vorweg: 1981 macht ihn die Teilnahme an der Ausstellung "New York New Wave" in der Kunstwelt bekannt. Der Schweizer Bruno Bischofsberger wird schließlich sein Galerist, stellt ihn Andy Warhol vor. Es entsteht eine Freundschaft, aus der rund 150 gemeinsame Arbeiten hervorgehen. "Dos Cabezas" (1982) und "Arm and Hammer II" (1984) sind in der Ausstellung zu bewundern. In Vitrinen lässt sich sein Briefwechsel mit Warhol verfolgen.

Bemerkenswert sind auch die großformatigen Werke "Ishtar" (1983) und "Glenn" (1984). Glenn O’Brien war Kunstkritiker und enger Freund Basquiats. Um seinen Kopf sind kopierte Zeichnungen angeordnet.

Zeit seines Lebens besaß er ein Faible für Worte. Er malte, während der Fernseher lief, das Radio tönte und jemand etwas sagte. Basquiat wiederholte Wörter, strich sie durch, um sie hervorzuheben. Er fügte nichts zusammen, sondern bildete die ganze postmoderne Vielfalt ab, kreierte mit seiner komplexen Methodik neue Bildwelten. Es lohnt sich, länger vor einem Bild zu verweilen und es zu entziffern.

Ein wunderschöner Raum ist Basquiats Beziehung zur Musik gewidmet. Er verehrte den Saxophonisten Charlie Parker. Die Single "Beat Bop" (1983), eine frühe, unglaublich packende Rap-Aufnahme Basquiats, ist in der Ausstellung zu hören. Sie blieb leider seine einzige Musikproduktion.

Die Stärke der Frankfurter Schau liegt darin, dass sie nicht nur das Oeuvre Basquiats zeigt, sondern auch sein kulturelles Umfeld. So ist Basquiat eben nicht ohne den Mythos zu haben, den diese Zeit umgibt, und schon gar nicht ohne den Mythos New York. Sorge zu haben, dass damit der Blick auf seine Kunst verstellt wird, braucht man nicht.

Afroamerikanische Kunst und Symbolik interessierten ihn. Seine Intention war es, Schwarze in einer weißen Medienwelt zu repräsentieren. Seine Figuren und Köpfe sind häufig Selbstporträts. Die Bilder spiegeln seine Gefühle und Wahrnehmung der Welt. Wut über die Verhältnisse sei natürlich dabei, wie er einmal in einem Fernsehinterview bekannte.

Heute erreichen seine Werke Rekordpreise: Im vergangenen Mai zahlte ein Sammler für ein Gemälde von Basquiat 110 Millionen Dollar. Laut Auktionshaus Sotheby’s war dies der höchste Preis, den jemals ein US-Künstler bei einer Versteigerung erzielte.

Info: "Basquiat: Boom for Real" in der Schirn Kunsthalle Frankfurt, Römerberg. Geöffnet:  dienstags, freitags bis sonntags 10-19 Uhr, mittwochs und donnerstags 10-22 Uhr; bis 27. Mai 2018. Der Katalog im Prestel Verlag kostet in der Ausstellung 35 Euro.