Von Ingrid Thoms-Hoffmann
Heidelberg. War er wirklich nur der "letzte Romantiker" Heidelbergs, der Mann, der aus der "Zeit gefallen" war, der Idealist, der nach dem Schönen suchte und alles Hässliche aus seinen Bildern verbannte? Oder war er vielmehr ein Visionär, von der Natur "aufgefordert", sich ihrer Ästhetik anzunehmen und sie zu verteidigen? Ein Mann, der aus seinem Innersten heraus agierte, mit einem unbändigen Freiheitswillen, der meist leise sprach und seine Ziele dann hartnäckig verfolgte und dabei heftig in Rage geraten konnte?
Dieser Wassili Lepanto, der 1940 in dem Städtchen Nafpaktos am Golf von Korinth geboren wurde, das die Italiener Lepanto nennen, und der eigentlich Loukopoulos hieß, war beides: der sensible Feingeist und der politische Kämpfer. Der aus einem Sehnsuchtsland kam und im kalten Norden seine Heimat fand. Und der sich ein Leben lang treu blieb. Am 30. August 2018 starb der Maler unerwartet im Alter von 78 Jahren. Sein Erbe sind nicht nur seine unverwechselbaren Bilder der "ökologischen Kunst". In seinem Nachlass befand sich auch ein unvollendetes Manuskript, das von seiner Witwe Leena Ruuskanen redaktionell bearbeitet wurde. Die Texte galten Lepanto als Vorbereitung zu einem umfassenderen Werk. Dazu kam es nicht mehr. Der Heidelberger Mattes Verlag legt jetzt mit dem bebilderten Band "Wassili Lepanto - Als Student in Heidelberg ’68 und zum Malen geboren" quasi Lepantos literarisches Vermächtnis vor.
"Das Grün in Deutschland hat in mir eine tiefe Begeisterung geweckt. Die Studentenbewegung hat aus mir einen kritischen, ja revolutionären Menschen gemacht. Das Studium der Literatur hat mich gelehrt, die Menschen zu lieben. Diese drei Dinge haben mich zum Künstler gemacht", umreißt der promovierte Germanist und Historiker selbst den Inhalt des 250-Seiten-Werkes.
Es ist nicht die Malerei, die in diesem Buch den größten Platz einnimmt, sondern die Studentenbewegung. 1966 kam der Student erstmals nach Heidelberg, in die Stadt, die er später als Gemeinderat wegen ihrer Einmaligkeit "erhalten und bewahren wollte".
Doch davon war bei seinen Protesten Ende der 60er Jahre noch keine Rede, als Lepanto mit selbstgefertigter Fahne und Protestschildern mit seinen Kommilitonen durch die Straßen zog, um gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt, für eine bessere Gesellschaft, für die Freiheit des Geistes zu demonstrieren. Detailliert schildert der Grieche mit der typischen Baskenmütze die damalige Situation, geht auf Persönliches und Politisches ein, schildert seine Solidarität mit dem "Sozialistischen Deutschen Studentenbund" (SDS), beschreibt in warmen Farben seine Studentenbude am Ebertplatz, wo er Jahre später im Stockwerk darunter wohnen und arbeiten sollte.
Man mag seine Sprache antiquiert nennen, aber sie drückt immer eines aus: eine bedingungslose Leidenschaft für die Menschen und für die Natur. Anrührend, wie er seinen Aufenthalt 1969 in Todtmoos im Schwarzwald schildert. Dort verbrachte er viele Monate in der Kurklinik nach einer Schilddrüsen-Tuberkulose. Hier, so der Maler, "habe ich die Welt neue gesehen". Er erfuhr die "Erhabenheit der Natur, ihre Kraft, ihre Milde, ihre unendliche Schönheit". Ausgangspunkt für sein "Manifest für eine ökologische Kunst".
Schon früh hatte der stets bescheidene Künstler erkannt, dass die Zerstörung der Umwelt gebremst werden muss. Er war, so schrieb die RNZ zu seinem 70. Geburtstag, "ein Idealist mit den Augen eines Kindes". Jahrzehnte später jubelte die Welt dem Kind Greta zu, das für den Klimaschutz eintrat. Lepanto wurde dafür noch belächelt. Doch er hielt dagegen, mit seiner unaufgeregten Art. Malte seine Ideallandschaften in lichten Tönen, die gleichzeitig auch immer an die ethische Verantwortung des Menschen appellierten. Was Lepanto wollte: "Eine Alternative zur formlos gewordenen, zerrissenen Welt von heute" zu bieten. "Die Ökologische Kunst stellt die Welt wieder her, die der moderne Mensch entstellt hat. Der Künstler tut dies, um das Leben zu erhalten, bis das Leben wiederkehrt", sagt Lepanto.
Dieses Buch ist nicht nur für Heidelberger, die ihre Stadt unter einem ganz anderen Blickwinkel kennenlernen, lesenswert, sondern mit seinen politischen und philosophischen Ansätzen gesamtgesellschaftlich hoch aktuell.
Info: "Wassili Lepanto - Als Student in Heidelberg ’68 und zum Malen geboren", Mattes-Verlag, 250 Seiten, 24 Euro.