Das prämierte Bild von Marie Preaud zeigt einen Spargel-Erntehelfer mit einer verkürzten Spargelwurzel auf der Hand. Repro: Kienle
Von Rolf Kienle
Schwetzingen. Das königliche Gemüse hatte es Marie Preaud angetan: Spargel sollte ihr fotografisches Thema werden. Das war in der Spargelstadt Schwetzingen, wo sie zwei Erntezeiten lang recherchierte und den Erntehelfern gewissermaßen auf die Finger schaute. Ihr Projekt stellte sie 2018 zum 350. Jahrestags des Spargelanbaus vor. Jetzt, drei Jahre später, erhielt Marie Preaud für das allererste Foto, das sie damals aufnahm, den renommierten Prix de la Photographie Paris in der Sparte künstlerische Collage.
Der PX3 genannte Fotopreis soll "die Wertschätzung der Fotografie fördern, aufstrebende Talente entdecken und Fotografen aus aller Welt in die Pariser Künstlergemeinschaft einführen", wie es heißt. In der Jury von PX3 war unter anderem auch Steve McCurry, der mit dem Foto des afghanischen "Mädchens mit den grünen Augen" auf sich aufmerksam machte.
Spargel ist auf dem prämierten Foto von Marie Preaud allerdings gar nicht zu sehen, und nur Spargelbauern oder Erntehelfer wissen, was auf der Hand des Mannes liegt: Es sind die stark verkürzten Wurzeln der Spargelpflanze, die es in der Natur auf gut anderthalb Meter Länge bringen. "Ich habe das Foto surrealistisch verändert", erklärt die Fotografin. Spargel musste beim Fotopreis allerdings auch keine Rolle spielen. Marie Preauds Titel des Projektes hieß "Labor of Love" (Arbeit der Liebe), was sie sehr wörtlich nahm. Es ging ihr um die Geduld, Leidenschaft und Beharrlichkeit, mit der die Männer und Frauen bei der Ernte vorgingen.
Sie überraschte das Publikum, als sie ihre Fotos damals präsentierte. Wer glaubte, der weißen Spargelstange sei doch kaum etwas Neues abzugewinnen, der sah sich getäuscht. Die Hand als Metapher für Handarbeit und schwere körperliche Arbeit setzt die Fotografin schon seit Jahren ein, bei den Spargelbauern und Spargelstechern aber wird die Handarbeit besonders deutlich. Sie ist durch maschinellen Einsatz nicht zu ersetzen.
"Hände sind Leben", sagt Marie Preaud. Zweites gutes Argument für die gebürtige Französin: Sie arbeitet gern mit Menschen. In einem Hotel im Jura aufgewachsen, hatte sie eine Großfamilie um sich. "Mein Großvater hatte zehn Kinder." Da ist kein Mangel an menschlicher Nähe. Erst im Oktober vergangenen Jahres fotografierte sie in Frankfurt für ein Projekt 1000 Kinder. Zudem behauptet sie von sich, ein neugieriger Mensch zu sein.
Marie Preaud studierte Fotografie in Paris und New York. Dort lernte sie ihren Mann Horst Hamann kennen, der sich mit den Schwarz-Weiß-Vertikal-Aufnahmen von New York einen Namen gemacht hat. Sein Bildband wurde zu einem der weltweit meistverkauften. Ihre thematischen Arbeiten sollten sich aber bis heute unterscheiden: Horst Hamann bevorzugt Architektur und Landschaft, Marie Preaud, die ihn als ihren Mentor bezeichnet, bleibt bei den Menschen, der Food-Fotografie und neuerdings den "Gärten von Paris" (Suhrkamp-Verlag). Vor kurzem ist das Paar von Frankfurt nach Mannheim gezogen, der Heimatstadt von Horst Hamann.
Hamann fotografierte vor ein paar Jahren Schwetzingen zu dessen Stadtjubiläum, aber an das Thema Spargel wagte er sich nicht. "Das kann ich nicht", gab er damals zu. Für Marie Preaud hingegen war es ein willkommenes Thema. Sie begleitete die Erntehelfer auf die Spargelfelder und beobachtete sie, wie sie "wie ein Adler" die zarten Risse in der Erdoberfläche erkennen und ihre Werkzeuge für den Stich ansetzen.
Dass es ausgerechnet das allererste Foto des zweijährigen Projektes wurde, für das sie jetzt den Preis erhielt, ist Zufall. Es entstand auf dem Feld der Schwetzinger Spargelbäuerin Elfriede Fackel-Kretz-Keller.
Ihre Ausstellung "Labor of Love" war nach Schwetzingen unter anderem in Aix en Provence und in Paris zu sehen. Insgesamt hat sie bisher acht Bücher veröffentlicht und mehrere internationale Fotopreise bekommen. Beim Pariser Fotowettbewerb PX3 hat sie sich in der Vergangenheit zwar schon mehrfach beworben, aber erst jetzt gab es die erste Auszeichnung.