Junggeblieben, gertenschlank: Peter Kraus (80) im Rosengarten. Foto: Gerold
Von Stefan Otto
Mannheim. Es gelte, gleich drei Jubiläen zu feiern, erklärte Peter Kraus, als er nun im fast ausverkauften Mannheimer Rosengarten gastierte. Im März dieses Jahres ist der Deutsch-Rock’n’Roller der ersten Stunde 80 Jahre alt geworden, im Oktober konnte er seine Goldene Hochzeit feiern, und "Die große Jubiläumstour", mit der er derzeit von Neunkirchen bis Chemnitz und von Wien bis Kiel unterwegs ist, ist bereits seine fünfte Abschiedstournee.
"Das war die Musik, mit der ich aufgewachsen bin", erinnert Kraus nach der ersten Nummer, "I Can’t Give You Anything but Love", einem Jazzstandard aus den 1920ern, und lässt ihr sogleich "Rock Around the Clock" folgen, jenen epochemachenden Hit, der ihn bereits in jungen Jahren zum Rock’n’Roller werden ließ. Peter Kraus’ "große Jubiläumstour" lässt sich zunächst an wie eine vergnügliche Lehrstunde an der ehrwürdigen Rock’n’Roll-Highschool und mündet schließlich in eine große Hommage der Musik der 1950er und 60er Jahre.
Der Jubilar rekapituliert chronologisch den Werdegang des Rock in Deutschland, singt altertümliche Schlager von Willy Hagara und Margot Eskens an, die die Radiostationen damals spielten und die "rebellische" Jugend dazu brachten, auf AFN, den Sender für die hier stationierten amerikanischen Soldaten, umzuschwenken. Wie groß Elvis Presleys Einfluss war, würdigt "der deutsche Elvis" mit einem Hit-Medley des "Kings" und "Tutti Frutti", seiner ersten eigenen Single, die in Deutschland noch vor dem amerikanischen Original erschien.
Sein "persönlicher Rock’n’Roll-Gott" sei aber Chuck Berry gewesen, gesteht Kraus und stimmt "Roll Over Beethoven" an. "Wie gerne hätte ich diesen Song damals auf Deutsch aufgenommen, aber mein Producer meinte, das kauft kein Mensch", bedauert der 80-Jährige.
Die "Mädels", die seine Platten kauften, so sei ihm versichert worden, wollten viel lieber "lieb, zärtlich und nett eingelullt" werden. "Also lullte ich", bekennt der Münchener Senior und präsentiert als Beispiel den Schmusesong "Wenn Teenager träumen". Aber Elvis, führt er zu seiner Verteidigung an, "lullte auch". Zum Beleg greift Kraus zur Gitarre und singt "Love Me Tender".
Es folgt der Calypso, Harry Belafontes "Banana Boat Song", der den Rock’n’Roll in den 50ern zeitweilig abzulösen schien, dann der Twist, Chubby Checkers "Let’s Twist Again", der im Rosengarten das Publikum von den Sitzen reißt, zum Aufstehen oder gleich nach vorne an die Bühne bewegt. Kraus’ musikalische Schulstunde wird zur gelungenen Hommage an die Musik seiner jungen Jahre. Natürlich singt er "Kitty Cat", "Sweety" und "Sugar Baby", die eigenen Hitsingles, aber auch ihre selten gehörten B-Seiten wie "Die Straße der Vergessenen" oder "Blue Melodie". Songs von Rocco Granata, Bill Ramsey, Cliff Richard oder gar Marlene Dietrich.
Ihre Kürze macht es möglich, dass unzählige zu Gehör kommen. Zwischendurch überlässt der so gut gealterte Rocker das Tanzen den anderen, besonders den beiden weiblichen und dem männlichen Backgroundsänger, die neben der fünfköpfigen Band mit ihm auf der Bühne stehen. Aber er selbst, junggeblieben und gertenschlank, lässt sich ebenfalls nicht lumpen, schwingt die Beine und lässt die Hüften kreisen - "Wie ein Tiger". Übrigens ein Song, wie Kraus berichtet, bei dem früher die Slips auf die Bühne flogen und bei dem auch in Mannheim immerhin noch einer seinen Weg auf die Bühne findet. 1969 jedoch, erklärt Kraus mit Augenzwinkern, habe er etwas getan, das ihn bei vielen weiblichen Fans in Ungnade fallen ließ: "Ich habe geheiratet." Seine Frau Ingrid, einst Fotomodel, saß im Rosengarten hinter dem Mischpult, als er resümierte: "Ich weiß heute, das war das Gescheiteste, was ich in meinem Leben gemacht habe."