Viel Witz in dem Gastspiel "Meçhul Pasa" mit (v.l.) Fatih Koyunoglu, Erdem Akakçe, Bülent Çolak. Foto: Emre Mollaoglu
Von Franz Schneider
Heidelberg. Den poetischen Gehalt der Sprache sowie die Präsenz der Schauspieler könnte man summarisch als herausragende Qualitäten festhalten, die einem der türkische Sonntagnachmittag als Abschluss des diesjährigen Heidelberger Stückemarkts bescherte. Onur Karaoglus "Light Theory" ist ein Stück für drei Personen, gespielt von zweien, das auf den drei Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft angesiedelt ist. Auf ihr spielen Geschichten vom Fliehen und Verlassen, etwa der Flucht aus Syrien nach Istanbul oder dem Fortgang aus dieser Stadt nach Paris.
Die Methode des Erzählens dabei bedient sich der Archäologie, man findet nach Jahrhunderten im Erdreich der Großstadt einen Koffer, in dem ein Bild versteckt ist, das einen Mann zeigt, der glücklich gewesen sein könnte, weil er ein Revolutionär war, kurz bevor alles zusammenstürzte und verschüttet wurde.
Das Stück fragt nach den Spuren, die einer hinterlässt, und den Dingen, ohne die jemand nicht leben kann, die er mitnehmen muss, wenn er flieht oder wenn er geht. Die Schlafmatratze als Erinnerungsort der Liebe, die man gelebt hat, und Bücher natürlich, so viele, dass sie drei Kisten füllen.
In der Aufführung im Zwinger werden diese auf eine Leinwand projiziert, davor agiert Okan Urun, mal verhalten, mal mit lebhaftester Körpersprache in freiem Tanz zu elektronischer Musik. Die quasi theoretische Klammer liefert Zinnure Türe, derzeit am Theater Heidelberg. Das Stück "Light Theory" geriet nicht zuletzt aufgrund seiner Komplexität der Thematik jenseits bloßer Anschaulichkeit zu einer fordernden Veranstaltung, der am Abend das unbedingte Engagement folgte.
Dann nämlich agierten die drei Schauspieler Erdem Akakçe, Bülent Çolak, Fatih Koyunoglu für die Freiheit der Presse in ihrer Heimat und anderswo. Ahmet Sami Özbudaks Geschichte der verbotenen Satirezeitung "Meçhul Pasa" schildert ohne viel Dekor und Effekte, aber mit viel Wortwitz und Situationskomik den Auf- und Abstieg eines Alkoholikers, eines Analphabeten und eines Redakteurs, die es als Zeitungsmachertrio wagten, sich mittels der Feen der Inspiration mit der Staatsmacht anzulegen. Diese reagierte umgehend, behinderte und verbot, sperrte ein und verbannte, am Ende geschieht ein Mord. Davor erlebte man diesen unbeugsamen Willen, lange Nächte für die Wahrheit, verkleidet im Scherz, zu arbeiten.
Der Theatersaal wurde zu einem Ort eines Plädoyers. Das Publikum, viele türkische Zuschauer darunter, wusste die Anspielungen auf die jetzige Situation sofort und genau zu erkennen. Für den alten Witz, die Türken würden auf dem Mond, falls ein Mensch dort lebe, den Ausnahmezustand ausrufen, gab es spontanen Applaus, der am Ende von stehenden Ovationen massiv verstärkt wurde. Man wusste wieder, wie wichtig Journalismus sein kann, der sich in seiner Frechheit ernst nimmt.