Der Heidelberger Frühling stellt das neue Festival „Neuland.Lied“ vor, das vom 11. bis 19. Juni stattfinden wird: Annett Baumeister, Thorsten Schmidt und Anselm Cybinski (von links) zeigen die Programmhefte. Foto: Philipp Rothe
Von Christoph Wagner
Heidelberg. "Heidelberg ist eine Liedstadt", betont Thorsten Schmidt, der Intendant des Musikfestivals Heidelberger Frühling. Denn mit dem "Codex Manesse" läge hier die bedeutendste deutschsprachige Liederhandschrift des Mittelalters in der Universitätsbibliothek. Die Crème de la Crème der deutschen Romantik gab sich einst in Heidelberg die Hand, und Achim von Arnim trug hier gemeinsam mit Clemens Brentano die Sammlung "Des Knaben Wunderhorn" mit alten Liedern zusammen. Auch "Der Zupfgeigenhansl", die wichtigste Liedersammlung der Wandervogelbewegung, entstand weitgehend in Heidelberg. Und nicht zuletzt leben wir seit der Gründung der Formation "Advanced Chemistry" in der deutschen Hauptstadt des Hip-Hop.
Folgerichtig bekam das Kunstlied im Heidelberger Frühling von Anfang an einen besonderen Stellenwert. 2011 entstand als Teil des Festivalprogramms die Internationale Liedakademie unter der künstlerischen Leitung von Starbariton Thomas Hampson. 2016 wurde sie als Internationales Liedzentrum eigenständig. Und nun mausert sich die Frühlings-Reihe "Neuland.Lied" zum eigenen Festival. Dessen Ziel ist es, "die Welt des Liedes neu zu vermessen und sie mit aktuellen Themen zu verbinden, indem die Darstellungsformen des Liedes weitergedacht und neu entdeckt werden."
In der ersten Ausgabe vom 11. bis 19. Juni 2022 werden parallel zu den öffentlichen Meisterkursen von Thomas Hampson und diversen Darbietungen von Stipendiatinnen und Stipendiaten der Liedakademie zahlreiche Veranstaltungen das Thema Lied aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. In konventionellen Liedrezitals kommen renommierte Sängerinnen und Sänger zu Gehör, etwa die Sopranistin Marlis Petersen oder der Tenor Christian Elsner. Ambitionierte Programmkonzepte mit Titeln wie "Licht", "Wander(er)wege" oder "Innenwelt" richten dabei den Fokus primär auf den Inhalt der Lieder selbst. Auch Konzerte mit ungewöhnlichen Liedbegleitungen wie Streichquartett oder Kammerorchester wird es geben.
Man könnte aber nicht von "Neuland Lied" sprechen, stünden nicht im Mittelpunkt innovative, kreative Ansätze der Liedinterpretation. So verbindet der Singer-Songwriter Elvind Buene in "Schubert Lounge" (12. 6., 18.30 Uhr), eine Komposition für zwei Gesangsstimmen und Kammerorchester, Schubertlieder mit eigener Popmusik und lässt dadurch überraschende Vexierbilder von Stilen, Klängen und Empfindungen entstehen. Das Trio Kronthaler (Gesang, E-Gitarre und Kontrabass) verknüpft in "My Favorite Things" (14. 6., 19.30 Uhr) Monteverdi, Purcell, Händel und Dowland durch die Darstellung gleicher seelischer Extremsituationen mit Jazz und Alternative Rock. "Frauenbilder" (16. 6., 16 Uhr) lässt ein Konzert mit musikalischen Darstellungen von Frauen zwischen 1900 und heute vermittels Videodesign in den Räumen eines Museums stattfinden. The Erlkings in der Besetzung Bariton, Gitarre, Violoncello, Tuba und Percussion geben in "Schumann was an Englishman" (18. 6., 19.30 Uhr) den großen Liederzyklen "Liederkreis" op.39 und "Dichterliebe" ein völlig neues Klanggewand.
Im "Kunstlied-SLAM" lässt das Klangkollektivs Düsseldorf Komponisten gegeneinander antreten, die den gleichen Text vertont haben. Das Neue Künstler Theater, ein Ableger des Burgtheaters Wien, erzählt in "Saudade Zweig" (16. 6., 19.30 Uhr) theatralisch Leben und Sterben von Stefan Zweig durch zahlreiche Lieder aus seiner Zeit. Und im abschließenden "Schlafzyklus eines Schlaflosen" (19. 6., 19.30 Uhr) durchstreift Kunal Lahiry mit Stipendiatinnen und Stipendiaten der Liedakademie 2020 in einem inszenierten Rezital die Bewusstseinszustände Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Träumen und plötzliches Erwachen in Liedern verschiedenster Stilrichtungen von der Spätromantik bis heute. Regie und Lichtdesign sollen dabei für ein bruchloses Zusammenspiel von Farben, Klängen und Empfindungen sorgen.
Thorsten Schmidt und sein Team wollen Großes erreichen. Durch dieses Festival soll Heidelberg auf lange Sicht zum internationalen Liedzentrum schlechthin werden, das Jahr für Jahr in großer Zahl Liedfans aus aller Welt an den Neckar lockt. Möge es gelingen.
Info: Vorverkauf unter der Telefonnummer 06221/5840044, per E-Mail: tickets@heidelberger-fruehling.de oder im Webshop: www.heidelberger-fruehling.de