Vera Bonsen vor ihrem "Triptychon II" in der Gedok-Galerie am Heidelberger Römerkreis. Foto: Birk Bonsen
Von Matthias Roth
Heidelberg. Sie muss täglich mit dem Hund raus. Einmal um den Block in der Heidelberger Weststadt. Dabei fiel der Künstlerin Vera Bonsen der Spieleladen unweit der Galerie auf, in der sie nun ausstellt: Hier gibt es zerbombte Häuser und Kriegsgerät im Spielzeugformat zu kaufen, während andere, quietschbunte Kinderunterhaltung auf dem Sperrmüll landet oder auf Flohmärkten feilgeboten wird.
In Erinnerung an die Novelle "The Turn of the Screw" von Henry James (Benjamin Britten hat sie zur Oper geformt), kreierte Bonsen für ihre jetzige Ausstellung in der Gedok Galerie am Heidelberger Römerkreis ein Objekt mit gefundenen Spielsachen, die sie mattschwarz einfärbte. "Bly", nach dem Landgut der James-Story genannt, verströmt eine gruselige Atmosphäre. Ein Horrorspielplatz, dessen Düsternis beängstigend wirkt: Der Froschkönig oder der blecherne Tanzkreisel haben ihre frühere Funktion eingebüßt und scheinen von Asche überzogen. Die Kindheitsträume sind ausgeträumt, alles Spielerische scheint ausgelöscht.
Gegenüber diesem apokalyptischen Szenario setzt das "Triptychon II" an der Wand dahinter einen eher spirituellen Akzent: Die drei Tafeln (insgesamt 125 x 185 cm) in tiefdunklem, mattem Blau unterscheiden sich nur im Detail. Hier wurden unzählige Einzelteile aus Modellbau-Pappe ausgeschnitten und miteinander verklebt, sodass eine in den Raum ragende Oberflächenstruktur entstand. Das intensive Blau leuchtet magisch vor dem hellen Hintergrund, gibt aber sein Geheimnis letztlich nicht preis.
Spielzeug begegnet einem auch an anderer Stelle in dieser Ausstellung. Die kleine Armee aus schwarz bemalten japanischen Winkekatzen, deren weiße Pfoten immer einen Nachbarn tangieren, winken nicht im gleichen Takt, aber wie bei György Ligetis "Poème Symphonique" für 100 Metronome bilden sich immer wieder Gruppen gleich schwingender Puppen, die ihren Vorderleuten kräftig auf den Kopf hauen. Die politische Aussage dieser Installation mit dem Titel "Freestyle Cruising", der sich nicht nur gegen den Gruppenzwang auf Kreuzfahrtschiffen richtet, ist offensichtlich.
Man merkt Vera Bonsens Arbeiten die frühere Beschäftigung mit dem Theater an: Die gelernte Bühnen- und Kostümbildnerin hatte Aufträge etwa in Hannover oder in Bregenz, bevor sie sich davon zurückzog: "Zu stressig", sagt sie im Gespräch. Seither lebt und arbeitet die Heidelbergerin in der Weststadt. Die Galerie Grewenig zeigte kürzlich ihre filigranen Papierarbeiten: Ähnliche "Papercuts" sind nun in Kästen auch in der Gedok Galerie zu sehen. Dabei sind verschieden farbige Papiere mit dem Skalpell in feine Streifen geschnitten, oft in mehreren Lagen übereinander. Spiegel verstärken die Raumwirkung.
Mehrere konstruktivistische Formstudien in Öl ergänzen die Einzelausstellung in der Römerstraße und zeigen die große Bandbreite dieser Künstlerin, die auch von Baumärkten fasziniert ist: "Das ist eine große Inspirationsquelle für mich", sagt sie. Die verschiedenen Materialien, Schauben und Winkel, überhaupt die handwerkliche Arbeit fesseln sie, die sich von Künstlern wie François Morellet oder Julius Popp beeinflusst sieht: Die naheliegenden Henry Matisse (Papier) oder Yves Klein (Farbe Blau) hingegen interessieren sie kaum. "Dann eher eine Stadt wie Venedig", wo sie auch studierte. "Diese morbide Vielschichtigkeit von Formen und Farben, das ist es."
Info: Vera Bonsen in der Gedok Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, bis 16. Februar.