Er ist auf großformatige Bilder royaler Würdenträger spezialisiert: Lars Teichmanns „K+K Queen“ (2019) begegnet uns ganz gesichtslos. Foto: Galerie
Von Julia Behrens
Heidelberg. Kunstgalerien spielen eine bedeutende Rolle im Kulturleben einer Stadt: Sie zeigen zeitgenössische Arbeiten in ausgesuchten Räumen und stellen somit wertvolle Orte für die Begegnung mit der Kunst der Gegenwart dar. In Bezug auf den Verkauf von Kunst sind Galeristen die wichtigsten Mittler zwischen Künstlern und Publikum, mit ihrer Arbeit sichern sie die Existenz von Malern, Bildhauern sowie Freischaffenden aus den Bereichen Video- und Installationsart.
Jetzt hat die Corona-Krise die Galerie- und mit ihr die gesamte Kunstszene hart getroffen. Messen und Ausstellungen mussten abgesagt oder verschoben werden. Und das in einer Zeit, in der viele Häuser – aufgrund hoher Mieten, schwankender Einnahmen und der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Kunstverkäufe von 7 auf 19 Prozent seit 2014 – ums Überleben kämpfen.
Wie alle Künstler und Galeristen erlebte auch Stefanie Boos von der Heidelberger Galerie Kunst2 den Shutdown als jähen Einschnitt, im Zuge dessen sie die gerade angelaufene Ausstellung "Blaues Blut" von Lars Teichmann in der dritten Märzwoche schließen musste. Dank einer erfolgreichen Teilnahme an der letzten "Art Karlsruhe" konnte sie die Zeit des Stillstands jedoch gut überbrücken und war darüber hinaus in der Lage, ihre Künstler zu unterstützen. Außerdem freute sie sich über aufmunternde E-Mails und Zuschriften von Sammlern und Freunden der Galerie.
Seit sie ihren Schauraum in der Lutherstraße als "Einzelhandelsgeschäft unter 800 Quadratmetern" Anfang letzter Woche wieder eröffnen durfte, verzeichnet sie ein großes Interesse bei den Besuchern, die – unter Einhaltung der vorgegebenen Hygiene- und Abstandsregeln – zahlreicher erscheinen als sonst. Laut Stefanie Boos berichten viele davon, wie sehr ihnen Kunst und Kultur fehlten. Gegen den Mangel wirkt die illustre "Ahnengalerie" von Lars Teichmann wie ein heilsames Mittel: Großformatige Bilder royaler Würdenträger reihen sich dort museal aneinander. "Blaues Blut" und weiße Farbe, Inhalt und Machart verweben sich auf beeindruckende Weise. Denn die Kaiserinnen, Könige und Grafen sind vollkommen gesichtslos.
Ihre Physiognomien wurden ausgelöscht, helle grobe Platscher und Spritzer ersetzen Antlitz und Hände. Damit zerfließt auch die Identität der Dargestellten, es sei denn, das Gemälde greift auf ein unverkennbares Vorbild zurück, was bei den jüngeren Arbeiten nur noch selten der Fall ist.
Teichmanns zeitgenössische Antwort auf die traditionelle Herrschaftsmalerei spielt mit dem Glanz prunkvoller Gewänder, Schärpen und Diademe auf der einen Seite und der reinen Malerei als Mittel der Dekonstruktion auf der andern. In gezielt grober Gestik zerlegt der Künstler die Idealisierung, nicht aber die Würde der Figuren. Die Hintergründe – meist dunkel gehaltene Farbvorhänge oder -nebel – sind von Attributen oder Räumlichkeit frei und tragen zur Konzentration auf die Protagonisten bei.
Lars Teichmann war schon 2017 mit "Mystery Portraits" in der Lutherstraße vertreten und überzeugte erneut in der von Stefanie Boos und Marianne Heller organisierten Gruppenausstellung "Dialog" im letzten Winter. Schön, dass seine Schau "Blaues Blut" in der Galerie Kunst2 nun um den Zeitraum der Schließung verlängert wurde und noch bis zum 13. Juni in Heidelberg zu sehen ist. Alle weiteren für 2020 geplanten Ausstellungen finden ebenfalls statt.
Info: Lars Teichmann, Blaues Blut. Bis 13. Juni. Galerie Kunst2, Lutherstraße 37, 69120 Heidelberg. www.kunst2.de. Dienstag bis Donnerstag, Samstag 11 bis 15 Uhr, Freitag 11 bis 18 Uhr.