"Film ab"

Das läuft beim Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg

Eröffnung am Donnerstag - Die letzte Ausgabe mit Leiter Michael Kötz - Sag beim Abschied leise "Film ab"

13.11.2019 UPDATE: 14.11.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden
Szene aus dem tschechisch-slowakischen Film „Old-Timers“ von Martin Dušek und Ondrej Provazník, der zu den 18 für den Special Award nominierten Kinowerken zählt. Foto: Festival

Von Kirsten Kieninger

Heidelberg/Mannheim. 28 Jahre sind eine lange Zeit. Länger stand die Berliner Mauer auch nicht – und so lange hat Dr. Michael Kötz das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg geleitet. Mit seiner Eröffnungsrede am Donnerstagabend wird das Ende einer Ära in der lokalen Festival-Landschaft eingeläutet. Aber das ist kein Grund für Sentimentalitäten: "Genießen Sie die 68. Ausgabe, die letzte unter unserer Regie!" empfiehlt der scheidende Festivaldirektor in der Programmbroschüre. Und er ist nach dem Festival nicht aus der Welt, sondern nur in Ludwigshafen – das "Festival des deutschen Films" dort wird er weiterhin leiten.

Hintergrund

Highlights aus dem Programm

Das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg zeigt von heute bis zum 24. November in beiden Städten 57 Produktionen aus 38 Ländern. 37 Filme werden im Wettbewerb präsentiert, zwölf im Rahmen des Kinderfilmfestivals.

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Highlights aus dem Programm

Das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg zeigt von heute bis zum 24. November in beiden Städten 57 Produktionen aus 38 Ländern. 37 Filme werden im Wettbewerb präsentiert, zwölf im Rahmen des Kinderfilmfestivals. Acht laufen im "Special"-Programm. In der Regel stehen die Produktionen fünf Mal in beiden Städten auf dem Programm. Hier eine kleine Auswahl von Highlights:

> "Rona, Azim’s Mother" entführt die Besucher in die Welt afghanischer Flüchtlinge im Iran. Der Regisseur Jamshid Mahmoudi widmet sich schon zum zweiten Mal diesem emotional packenden Thema. In Heidelberg wird sein Film zum ersten Mal morgen um 16 Uhr im Kinozelt I gezeigt, vier weitere Termine.

> "Life As It Is: Miloš Forman on Miloš Forman": "Wie haben Sie das gemacht?" Diese Frage aller Fragen stellte der deutsche Regisseur Robert Fischer dem amerikanischen Meisterregisseur Miloš Forman. Aus seinem im Jahr 2000 geführten Interview machte er einen spannenden Dokumentarfilm, der am 20. November als Sondervorstellung im Kinozelt II erstmals gezeigt wird, allerdings erst um 23 Uhr. Von Forman stammen so berühmte Filme wie "Einer flog über das Kuckucksnest" (1975), "Hair" (1979) und "Amadeus" (1984). Zweimal gewann er einen Oscar.

> "Holding Positions": Die Regisseurin Laura Mahlberg stammt aus Heidelberg und wird kommende Woche von Dienstag bis zum Ende des Festivals anwesend sein. Sie studierte Film und Video in Stuttgart. Ihr erster Langfilm handelt von Träumen und Menschen am Flughafen: Streitereien, Bildgedichte und Miniaturszenen überall. Großes Kino in virtuos fotografierten Bildern und Szenarien. Erstmals am 20. 11. um 18 Uhr in Heidelberg.

> "Tobby": Es darf auch nostalgisch werden beim Filmfestival. Diese Produktion über die Jazz-Musik in Berlin entstand schon 1961. Er habe noch nie einen Film gesehen, der es so geschafft habe, "unmittelbar die Atmosphäre des Jazz abzubilden", schrieb der "Jazzpapst" Joachim-Ernst Berendt damals. Der Filmpionier und Mitunterzeichner des Oberhausener Manifestes, Hansjürgen Pohland, schaffte es damals, dass sein Werk in einem Atemzug mit Jean-Luc Godards "Außer Atem" und John Cassavetes "Shadows" als stilbildend für den Zeitgeist der 1960er Jahre genannt wurde. Erstmals heute um 23 Uhr im Kinozelt II, vier weitere Termine.

> "Trees of Protest": Der Filmemacher Nick Schader widmet sich in dieser Produktion den Klimaprotesten im Hambacher Forst. Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte des Kampfes um den Hambacher Forst als eine der großen Erzählungen, das Klima retten zu wollen durch entschlossene Aktivisten nach dem Muster "David gegen Goliath". Erstmals morgen um 23 Uhr im Heidelberger Kinozelt II.

> "Aurora": Im Mittelpunkt dieser romantischen Liebeskomödie steht eine blonde finnische Party-Queen. Gedreht wurde der Streifen von Mila Tervo. Erster Termin in Heidelberg: 19. 11., 21 Uhr. (voe)

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Doch nun spielt die Filmmusik diesseits des Rheins: Offiziell eröffnet wird heute um 19 Uhr in den Kino-Zelten auf dem Heidelberger Messplatz mit der Galavorführung des japanischen Films "Under the Turquoise Sky". "Regisseur Kentaro erzählt eine uralte Kinogeschichte über die Liebe und das Leben, aber wie er sie erzählt, das ist großartig", freut sich Kötz und wird zu den vielen Ehrengästen eine Film-Delegation aus Japan und der Mongolei begrüßen. Sie eröffnet den Reigen der über 100 internationalen Gäste aus 38 Ländern, die sich mit ihren Filmen auf der Leinwand und in Filmgesprächen präsentieren werden.

57 Filme stehen in den zehn Festival-Tagen in Heidelberg und Mannheim auf dem Programm. Da hat das Publikum viel zu tun, denn es gibt außer der Fipresci-Jury der internationalen Filmkritik und der Ökumenischen Jury keine Fachjurys. Die drei Hauptpreise des Festivals darf das Publikum per Abstimmung ermitteln, die Preisverleihung findet am 23. November bei einem Dinner für geladene Gäste statt. Öffentlich werden die drei Siegerfilme am Sonntag, 24. November, im Stadthaus N1 in Mannheim bei freiem Eintritt zu sehen sein. Dort gibt es zum Finale "und als Dank an unser Publikum" alle Getränke zum halben Preis.

Aber vorher hat das Publikum die Qual der Wahl: Alle 18 Anwärter auf den Grand Newcomer Award und den Talent Award anschauen oder die 18 anderen Filme, die für den Special Award in Frage kommen, um einen Überblick zu bekommen? Beherzt durch Länder und Genres streunen? Was ist das Besondere an den Sondervorführungen? Die Kinderfilme ignorieren, wenn man keine Kinder hat?

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Die Filmperlen finden sich verstreut. Etwa der Dokumentarfilm "Die Götter von Molenbeek", der von der Freundschaft zwischen Aatos aus Finnland und Amine aus Marokko erzählt. Die beiden 6-Jährigen leben in Brüssels Stadtteil Molenbeek, der als Hochburg gewaltbereiter Islamisten gilt. Und tatsächlich brechen die Terroranschläge vom März 2016 in den Alltag der beiden Jungen hinein – erlebt aus kindlicher Perspektive, wenn etwa die Maschinengewehre der Soldaten, die in der Stadt patrouillieren, genau auf Aatos Augenhöhe hängen. Ein warmherziger Film über eine Kinderfreundschaft in unruhigen Zeiten, der sich im Kinderfilmfest "versteckt".

In den Sondervorführungen gibt es "Land des Honigs" zu entdecken. Eine dokumentarische Parabel über Ausbeutung und Menschlichkeit von archaischer Wucht, die aber am 21. November sowieso Heidelberger Kinostart hat. "Holding Positions” der gebürtigen Heidelberger Regisseurin Laura Mahlberg dagegen läuft als Weltpremiere im Wettbewerb, ohne Ankündigung eines Kinostarts. Und "Blue Hour" aus Japan, der um den Special Award konkurriert, verspricht ein entschleunigtes kleines Familiendrama zu sein, das entdeckt werden will.

Die Sondervorführungen bieten zu dem "Life As It Is: Miloš Forman on Milos Forman" von Filmpublizist Robert Fischer, der auch Truffaut-Experte ist. Damit schließt sich ein Bogen, der weit in die Tradition des Festivals reicht: Vor 60 Jahren wurde der Kurzfilm "Les Mistons" von François Truffaut, den dieser einmal als seinen "ersten echten Film" bezeichnete, mit einem Filmdukaten ausgezeichnet.

Damals war das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg noch die Mannheimer Kultur- und Dokumentarfilmwoche. Heidelberg ist seit 1994 dabei und Dr. Michael Kötz seitdem mit den Kino-Zelten durch die Stadt und den Schlossgarten gezogen. Dieses Kinozelt-Nomaden-Dasein in Heidelberg hat für ihn am 24. November ein Ende.

Während er sich im August 2020 auf seine Filmfestival-Sommerweide am Ludwigshafener Rheinufer begibt, steht schon Dr. Sascha Keilholz in den Startlöchern, um im Herbst 2020 die 69. Ausgabe des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg mit neuen Ideen zu stemmen. Doch heißt es: "Film ab!".

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