Hannes Seibold (l) und Felix Grädler. Foto: privat
Von Peter Wiest
Es sind Fragen, die in diesen pandemiegeprägten Wochen und Monaten aktueller und drängender sind denn je: Welchen Stellenwert hat in unserer Gesellschaft und innerhalb unseres politischen Systems die Kulturarbeit? Weshalb ist Kulturpolitik in weiten Bereichen noch immer eine freiwillige Leistung und unterliegt damit dem "Goodwill" der städtischen Verwaltungen und der Kommunalpolitiker und Kommunalpolitikerinnen? Und weshalb liegt im Bereich Förderung der Fokus nach wie vor deutlich auf der sogenannten Hochkultur, während die sogenannte Gegenwartskultur und insbesondere die Kultur für jüngere Menschen oft hinten ansteht oder ganz durch das Raster fällt?
Unzählige Kulturschaffende gerade im letzteren Bereich waren und sind durch den Corona-Lockdown von Verdienstausfällen betroffen, haben so gut wie gar keine Einnahmen mehr und sehen sich dadurch schließlich existenziellen Problemen gegenüber.
"Auch deshalb ist es an der Zeit, einer gerechteren Kulturpolitik im 21. Jahrhundert näher zu kommen", sagen mit Blick darauf die beiden Geschäftsführer der Heidelberger halle02 GmbH, Felix Grädler und Hannes Seibold. Bereits im zurückliegenden Juni haben sie nach 18 Jahren erfolgreicher Kulturarbeit das vorläufige Ende des kurativen Programms in ihrem Veranstaltungshaus in der Heidelberger Bahnstadt verkündet. Trotzdem wollen sich beide auch weiterhin starkmachen und einsetzen für Gegenwartskultur und Kultur für junge Menschen, wie sie jetzt in einem Aufruf betonen: "Wir wollen daran mitwirken, dass es zusehends zu einer stärkeren Kulturgerechtigkeit in unserer Gesellschaft kommt, und dass Gegenwartskultur einen höheren Stellenwert erfährt, als sie de facto derzeit innehat".
Erreichen wollen Grädler und Seibold dies auch, indem sie das Bewusstsein für diesen Sachverhalt schärfen über die geplante Veröffentlichung eines Buches mit darauf bezogenen Beiträgen von Wissenschaftlern, Kulturschaffenden, Kulturpolitikern und Journalisten. Diese sind deshalb aufgefordert, für das geplante Buch entsprechende Beiträge zu verfassen und einzusenden.
Daraus soll dann das entstehen, was die Herausgeber eine "praxisorientierte Handreichung für Kulturpolitiker, Kulturschaffende, Künstler und junge aktive Kulturkonsumenten" nennen. Ziel sei es letztlich, einen Beitrag zu leisten zur Debatte, wie man den Kulturbegriff des 21. Jahrhunderts so neu fassen könne, dass er der Lebenswelt von möglichst vielen Generationen gerecht werde, und darüber zu diskutieren, welche Richtlinien für eine neue Kulturpolitik und vor allem die Kulturförderung daraus abgeleitet werden könnten.
Thematisch soll es bei den Buch-Beiträgen um die übergeordneten Bereiche Kulturgerechtigkeit, Kulturverständnis und Kulturbegriff, Kulturförderung, Kulturbranchen und Kulturszenen sowie Kultur und Gesellschaft gehen. Mögliche Aspekte, die die Herausgeber beispielhaft nennen, sind etwa die Akzeptanz von Kulturformen in Politik und Verwaltung, die Änderung rechtlicher Rahmenbedingungen, Kultur für junge Menschen, Ausgeh- und Freizeitverhalten, das Kulturkonsumverhalten jüngerer und älterer Menschen, darstellende und bildende Kunst, Clubkultur oder - im Bereich Förderung - regionale Förderungsmechanismen und die Umgestaltung des Kulturetats. Auch Beiträge zu anderen Themen sind willkommen; alles jedoch nach Möglichkeit unter dem Oberbegriff "Kulturgerechtigkeit".
Wer Interesse daran hat, einen Beitrag zu schreiben, sollte ein Konzept mit thematischer und inhaltlicher Umschreibung in nicht mehr als 2000 Zeichen bis 28. Februar einsenden. Rückmeldung erfolgt bis Ende März; danach können ausgewählte Beiträge innerhalb weiterer vier Wochen auf etwa 40.000 Zeichen komplett dargestellt werden. Die Veröffentlichung des Buches ist für Ende dieses Jahres geplant.
Info: Zusendungen an kulturgerechtigkeit@felixgraedler.de.