Iris ter Schiphorst liebt die Musik, wenn sie ihr etwas Neues erzählt
Die Komponistin Iris ter Schiphorst erhält den "Heidelberger Künstlerinnenpreis" im Philharmonischen Konzert am kommenden Mittwoch

Die Komponistin Iris ter Schiphorst wird am kommenden Mittwoch mit dem "Heidelberger Künstlerinnenpreis" ausgezeichnet. Foto: Astrid Karger
Von Matthias Roth
Im Rahmen des Philharmonischen Konzerts am 25. Februar in der Stadthalle wird Iris ter Schiphorst mit dem diesjährigen "Heidelberger Künstlerinnenpreis" ausgezeichnet. Wir sprachen vorab mit der in Berlin lebenden Komponistin, von der bei dieser Gelegenheit zwei Werke aufgeführt werden.
> Frau ter Schiphorst, sie werden mit dem "Heidelberger Künstlerinnenpreis 2015" ausgezeichnet. Glauben Sie, dass es noch zeitgemäß ist, eine Auszeichnung zu vergeben für Frauen in der Kunst, speziell in der Musik?
Das würde ich eindeutig mit Ja beantworten. Ich sage Ihnen auch, warum: Die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun konnte uns auch bei "klangzeitort" in Berlin erklären, warum es immer noch so wenige Frauen gibt, die als Komponistinnen in Erscheinung treten. Wir sind da auf ganz erschreckende Zahlen gekommen: Bei der Gema etwa sind glaube ich nur sechs Prozent der Registrierten Frauen - vielleicht sind es auch 8 %. Bei Veranstaltungen oder Festivals steht das Verhältnis von Komponistinnen zur Zahl derer, die hier aufgeführt werden, ebenso im eklatanten Widerspruch. Aus diesem Grund setzt der Heidelberger Preis ein Zeichen, dass es tatsächlich komponierende Frauen gibt und sich die Komponistinnen dadurch auch gestärkt fühlen. Zumindest muss ich zugeben, dass es mir nun so gegangen ist.
> Der Preis ist etwa 30 Jahre alt, und es hat sich seither so wenig geändert?
Das ist das Erschreckende! Man will es nicht wahrhaben, aber es ist die bittere Wahrheit. In Berufen wie der Regie oder auch der Bildenden Kunst hat sich das komplett verändert, das konnten wir auch sehen. Aber im Bereich Musik wirkt offenbar noch eine Tradition nach, die aus dem 19. Jahrhundert herüber weht. Die Riemann’sche Vorstellungen, dass Frauen das einfach nicht können, wirkt bis heute nach. Auch in den Kompositionsklassen sind Studentinnen stark in der Unterzahl, obwohl es in den Instrumentalfächern ganz anders ist. Auch bei Dirigentinnen sehen wir, dass junge Frauen sich schwertun bei der Wahl dieses Berufs.
> Kommen wir auf Ihre eigene Musik: Wir hören in Heidelberg ein groß besetztes Orchesterwerk "Zerstören II" (2006). Hat "Zerstören I" nichts gebracht, dass Sie es wiederholen müssen?
Nein! Sie müssen sich das Leben eines Komponisten so vorstellen, dass man sich sehr intensiv mit einer Thematik beschäftigt und sich eine Möglichkeit erarbeitet, es in eine Form zu bringen. Aber dann merkt man, dass das Thema noch nicht ausgeschöpft ist und es lohnend scheint, daran weiter zu arbeiten.
> Ihr erstes Werk dieses Titels war ein Ensemblestück ...
... richtig. Geschrieben für das Festival in Witten. Schon während der Arbeit daran hat sich der Wunsch ergeben, das Thema weiter auszumalen, in anderen Farben zu beleuchten, es in ein Orchester zu übertragen, das dann natürlich noch ganz andere Wege geht. "Zerstören I" war Ausgangspunkt für die zweite Komposition.
> Von ganz anderer Art - das sieht man schon an der Partitur - ist das zweite Stück, ein Solowerk für Kontrabassklarinette. Wie kam es dazu?
Ich arbeite gerne mit Solisten zusammen, die ich gut kenne. Theo Nabicht, dem das Stück gewidmet ist, ist ein ganz herausragender Solist auf speziell diesem Instrument. Mit ihm zusammen konnte ich ganz andere Dinge versuchen und schreiben als für ein ganzes Orchester. Das liegt am Format des Solostücks.
> Es heißt "Orpheus 2015 / die Aufgabe von Musik". Was hat es damit auf sich?
In Heidelberg erklingt nur ein Teil dieses Werkes, das ein groß angelegtes Solo ist und noch einen weiteren Teil haben wird. "... die Aufgabe von Musik" ist dabei durchaus mehrdeutig gedacht und auch das Wort "Aufgeben" ist darin enthalten. Dahinter verbergen sich Fragen wie: "Was kann Musik heute?", "Was sagt Musik überhaupt?" oder "Was will ich als Komponistin ausdrücken?" Es geht darum, meine Grenzen und die Grenzen des Ausdrucksmittels Musik zu erkunden.
> Auch der Titel "Zerstören" macht natürlich nachdenklich. Was war der Anlass für diese Kompositionen?
"Zerstören" ist ja schon ein älteres Stück, und damals kam es mir so vor, als wären ganz besonders archaische Kräfte im globalen politischen Geschehen am Wirken. Ich mag gar nicht genauer darauf eingehen, aber es war ein beängstigendes Klima gewesen, das mich extrem beschäftigt hat - so wie heute eigentlich auch. Ich bin eine Komponistin, die sich nicht von so etwas frei machen kann und die auf das, was sie umgibt, künstlerisch reagiert. Meine Musik ist - wenn Sie so wollen - eine Reaktion auf das, wie ich Welt wahrnehme und rezipiere. Aber der Titel ist ebenfalls zweideutig, denn dahinter steht auch die Utopie, dass man erst durch Zerstörung das Alte, Ungerechte, Festgefahrene hinter sich lassen kann, um zu etwas Neuem aufbrechen zu können.
> Auffallend an Ihrem Oeuvre ist die dauerhafte Beschäftigung mit der Elektronik, die den üblichen instrumentalen Vorrat erweitert. Wie ist das in diesen beiden Stücken?
Auch hier spielt das eine Rolle. Das hat einerseits damit zu tun, das ich eine bestimmte Klangvorstellung habe, die auch das Orchester betrifft. Sie haben den Begriff "Erweiterung" selbst genannt, und es geht mir in der Tat um eine Erweiterung, aber auch um eine Art klangliche Öffnung hin auf Welt. Also darum, sozusagen den klassischen Konzertraum zu überschreiben mit Klängen und Geräuschen, die normalerweise nicht in ihn hinein gehören.
> Aus Ihrer Biografie weiß ich, dass Sie angefangen haben mit Rockmusik. Spielt diese heute noch eine Rolle bei Ihrer Arbeit?
Da muss ich Sie korrigieren: Angefangen habe ich mit Klavierunterricht, und einen Großteil meiner Lebenszeit habe ich mit klassischer Musik verbracht: Meine Mutter war Pianistin und ich habe Klavier studiert, und dann erst - die zeitliche Abfolge ist da nicht unbedeutend - bin ich zeitweise in das Genre Rockmusik gewechselt. Das hatte mit dem Ausprobierenwollen von anderen Musiken zu tun, die ich mir auf diese Weise erschlossen habe.
> Spielen diese Genres heute noch eine Rolle für Sie?
Ich liebe Musik, und ich kann gar nicht sagen, dass ich diese oder jene mehr mag als die andere. Ich liebe Musik, wenn sie spannend ist und mir etwas Neues erzählt.
Info: Philharmonisches Konzert in der Stadthalle Heidelberg am Mittwoch, 25. Februar, 20 Uhr. Einführung um 19.15 Uhr.