Hintergrund Sissi in der Neudorfer Mühle

14.07.2020 UPDATE: 14.07.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 22 Sekunden

Kaiserin Sissi machte 1884 in der Neudorfer Mühle Station

Die Romantik verklärt vielerorts die "Mühlen am rauschenden Bach", doch die Wirklichkeit sah häufig anders aus: Mitte des 18. Jahrhunderts hatte sich an einer äußerst verkehrsgünstigen Stelle zwischen Neudorf und Wiesental eine Mühle und Ziegelhütte zu einem kleinen Wirtschaftszentrum am Bruhrain entwickelt.

Baubeginn der sogenannten Schönborn- oder Neudorfer Mühle war 1740, wie aus dem Heimatbuch Neudorf hervorgeht. Neudorf profitierte damals vom Ende der Engelsmühle in Philippsburg, die 1734 während des polnischen Erbfolgekrieges mit der Belagerung Philippsburgs durch französische Truppen in Rauch aufgegangen war.

Schon im Mittelalter war im Interesse der Konsumenten schärfste Beaufsichtigung der Mahlvorgänge angezeigt. Müller waren nur selten selbstständige Handwerker, sondern viel mehr Pächter oder Erblehnsleute. Der Mühlbetrieb war frühzeitig "Hoheitsrecht" geworden, bereits seit dem 12. Jahrhundert drehte sich an fast allen schiff- und flößbaren Strömen im späteren Baden ein Rad an einer Wassermühle. Tatsache ist, dass zu dieser Zeit, wie alten Schriften zu entnehmen ist, "an einem architektonisch imponierenden Bau in handwerksmäßigem Barock mit dem Saalbach, auch Mühlbach genannt, ein Schifffahrtskanal bis zum Rhein" bestand. Unmittelbar daneben floss der Saugraben.

1756 ist belegt, dass Franz Christoph von Hutten die Mühle an einen Anton Cordell, zugleich Oberschultheiß von Huttenheim, überschrieb. In der Urkunde heißt es: "Wir, Frantz Christoph Bischof zu Speyer, bekennen hiermit, bewogen worden zu sein, dem Anton Cordell Temporalbestände der uns und unserem fürstlichen Hochstift eigentümlich zugehörigen Mahl-, Öl- und Hirsenmühle unweit dem Dorf Neudorf und der Bruchsaler Bach gelegen, gedachte Mühle mit dazu gehörigen Stallungen, Ziegelhütten, Gärten und Weinschank in einen Erbstand zu verleihen". Bis 1959 hatte ein Mitglied der Großfamilie die Mühle betrieben, die dann auch Gasthaus wurde und zwei Jahrhunderte lang nicht nur die Geschichte des Mühlenwesens sondern auch ein turbulentes Kapitel Zeitgeschichte des Bruhrains schrieb. 1884 hatte hier sogar Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn die Kaiserin von Österreich – besser bekannt als Sissi – "begleitet von einem Diener, zu Pferde von Heidelberg kommend", an der Neudorfer Mühle Station gemacht. Ernst Rudolf Woll war dann der letzte bekannte Müller auf der Mühle, die für den ganzen Raum bedeutend war. (Of)