Leserbrief - Unangenehmen Fragen ausweichen?

22.06.2021 UPDATE: 22.06.2021 18:35 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden

Leserbrief: "Unangenehmen Fragen ausweichen?"

Kritik an Verlegung der Einwohnerfragestunde

Der Bürgermeister setzt die Tagesordnung für die Sitzungen des Gemeinderates fest. In der amtlichen Bekanntmachung ist in der Tagesordnung für die Gemeinderatssitzung am 21. Juni zu lesen, dass der Tagesordnungspunkt "Einwohnerfragestunde" erst unter Punkt 6, d. h. am Ende der Sitzung, behandelt wird.

Was soll hiermit erreicht werden? Will man mit aller Gewalt vermeiden, dass zu Beginn der Sitzung aus der anwesenden Bevölkerung "unangenehme Fragen" gestellt werden? Will man die Sitzung mit allen inhaltlichen Punkten "durchziehen" und die Bürgerschaft "nach hinten verlagern" und so den anwesenden Zuhörern das Gefühl vermitteln, "umsonst" auf der Sitzung zu sein? Verkommt damit die Einwohnerfragestunde nicht förmlich zu einem "Feigenblatt", das die Beteiligung der Öffentlichkeit lediglich vortäuschen soll?

Ich habe die Feststellung gemacht, dass in nahezu allen Sitzungen des Gemeinderates der zurückliegenden Jahre die "Einwohnerfragestunde" am Anfang der Sitzung stattfand; lediglich "Bekanntgaben" erfolgten manchmal noch vorher.

Warum weicht man ausgerechnet bei dieser Sitzung von der üblichen Reihenfolge ab? Soll das jetzt künftig die Regel sein? Wo bleibt die Gelegenheit für die Bürgerschaft, Fragen zu stellen, die für die Mitglieder des Gemeinderates durchaus aufschlussreich sein können und die auch neue Aspekte für die Beratung der nachfolgenden Tagesordnungspunkte geben können?

Bis zur Eröffnung der Sitzung ist der Bürgermeister Herr über die Tagesordnung. Nach Eröffnung der Sitzung geht die Herrschaft über die Tagesordnung auf den Gemeinderat über. Eine Änderung der Reihenfolge der Tagesordnungspunkte kann jedes Mitglied des Gemeinderats beantragen, wenn zu Beginn der Sitzung ein "Antrag zur Geschäftsordnung" gestellt und dann darüber abgestimmt wird.

Anhand dieses Abstimmungsergebnisses könnte man dann feststellen, wie ernst es dem Gemeinderat ist, eine offene, freie und bürgerfreundliche Transparenz herzustellen und ob Bürgerbeteiligung nicht nur ein Lippenbekenntnis in der Adelsheimer Stadtpolitik ist. Auch das Ansehen und die Glaubwürdigkeit eines jedes einzelnen Stadtrats würde darunter nicht leiden.

In der Vorlage zur Gemeinderatssitzung am 21. Juni steht: "Aufgrund einer Beschwerde, die bei der Kommunalaufsicht im Landratsamt NOK einging, wurde der formale Ablauf der Beratung und Beschlussfassung durch die Kommunalaufsicht überprüft. Als Ergebnis stellte die Kommunalaufsicht die ,Rechtswidrigkeit‘ des gefassten Beschlusses fest."

Es gab keine "Beschwerde", sondern richtig ist: Ein Einwohner der Stadt Adelsheim hat von seinem Bürgerrecht Gebrauch gemacht und einen Gemeinderatsbeschluss durch die Kommunalaufsicht des Landratsamtes Neckar-Odenwald-Kreis auf Rechtmäßigkeit überprüfen lassen. "Beschwerden" haben immer mit Kundenunzufriedenheit zu tun, und bei Gemeinderatsbeschlüssen geht es weniger um Zufriedenheit als um rechtliche Gültigkeit. Ein Gemeinderatsbeschluss ist entweder rechtmäßig oder rechtswidrig

Also, meine Damen und Herren des Adelsheimer Gemeinderates mit dem Bürgermeister als Vorsitzenden des Gremiums, geben Sie der teilnehmenden Bevölkerung weiterhin die Möglichkeit, zu Beginn der Gemeinderatssitzung Fragen zu stellen, und lassen Sie hierdurch jeden Zweifel im Keim ersticken, dass man hier unangenehmen Fragen aus dem Weg gehen will! Hier hat doch sicherlich niemand etwas zu vertuschen?

Übrigens: In der auch am 21. Juni stattfindenden Sitzung des Gemeinderates unserer Nachbarstadt Osterburken steht die Bürgerfragestunde an erster Stelle. Dort scheint man mehr Mut zu Transparenz und Bürgerbeteiligung zu haben.

Bernd Kühn, Adelsheim