Hintergrund Tempo 30 Neckargemünd

Hat Tempo 30 mehr Nachteile für Anwohner?

15.03.2018 UPDATE: 15.03.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Neckargemünd. (cm) Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt der B 37 - darüber lässt sich trefflich streiten. Das taten auch die Stadträte in der zurückliegenden Sitzung des Gemeinderates.

Karlheinz Streib (Freie Wähler) befürchtete einen höheren Schadstoffausstoß, wenn Autos im dritten Gang mit Tempo 30 durch die Stadt fahren als bei Tempo 50. "Ist das für die Umwelt nicht kontraproduktiv?", wollte er wissen. Nein, antwortete Ingenieur Peter Koehler. Dies wäre nur bei einem ständigen Wechsel des Tempolimits der Fall. Auch Lärm durch höhertouriges Fahren sei kein Thema, da das maßgebliche Geräusch von den Reifen komme und nicht vom Motor. "Elektromotoren sind deshalb nicht leiser, das Rollgeräusch bleibt", ergänzte er.

Claudia Harant (CDU) gab zu bedenken, dass die B 37 durch die Sanierung im vergangenen Jahr leiser geworden sei. Die Analyse basiere nicht auf Messungen, sondern auf Berechnungen, erklärte Ingenieur Koehler. Bei diesen werde schon davon ausgegangen, dass der Fahrbahnbelag gut ist.

Walter Berroth (SPD) sah die Gefahr, dass es bei Tempo 30 zu mehr Staus und damit mehr Emissionen komme: "Wir haben die Befürchtung, dass wir den Teufel mit dem Beelzebub austreiben." Koehler sah eher eine "Verstetigung des Verkehrs" bei Tempo 30. Wichtig sei, dass die Ampeln neu auf Tempo 30 koordiniert werden, um häufige Anfahrgeräusche zu verhindern: "Es reicht nicht, nur die Schilder aufzustellen."

Petra Groesser (Grüne) begrüßte Tempo 30: "Man darf es nicht nur aus der Autofahrerperspektive sehen, es geht auch um Fußgänger als hauptsächlich Betroffene." Tempo 30 funktioniere auch auf der Ziegelhäuser Landstraße in Heidelberg gut.

Steffen Wachert (Freie Wähler) gab zu bedenken, dass die Lärmbelastung vor und nach dem neuen Asphalt in Kleingemünd ein "himmelweiter Unterschied" sei. Koehler betonte erneut, dass Messungen zwar möglich, aber sehr aufwändig seien. Die Berechnung sei gesetzlich vorgeschrieben und gehe von den ungünstigsten Faktoren bei der Lärmausbreitung aus. Der Vorteil der Berechnung sei, dass die Lärmquelle definiert sei. Bei einer Messung wisse man nicht zwangsläufig, woher der Lärm komme.

Dietmar Keller (SPD), von Beruf Fahrlehrer, wollte die Anwohner schützen. Er sah die Gefahr, dass bei einer Staubildung die Anwohner mehr belastet werden als bei Tempo 50. Er plädierte deshalb dafür, nur nachts das Tempolimit zu reduzieren. Im Wiesenbacher Tal sei hingegen Tempo 30 wegen der vielen Schüler sinnvoll. Dort gebe es beim Lärm allerdings keine Überschreitungen, hielt Ingenieur Koehler entgegen.

Martin Holschuh (Freie Wähler) fragte sich, warum bei der Sanierung der B 37 im vergangenen Jahr kein leiserer Fahrbahnbelag aufgebracht wurde. Uwe Seiz von der Stadtverwaltung berichtete, dass die Stadt damals beim Regierungspräsidium angefragt habe. Es habe geheißen, dass ein solcher Belag erst ab Tempo 50 sinnvoll sei - und zudem teuer. Innerorts sei der Unterschied kaum wahrnehmbar. Ingenieur Koehler ergänzte, dass lärmoptimierter Asphalt erst ab Tempo 70 wirke, lärmarmer Asphalt aber schon ab Tempo 50. "Wenn die Straße das erste Mal aufgerissen wird, ist es eh vorbei", meinte Volk. "Manche Anwohner beschweren sich schon jetzt, weil das Überfahren der neuen Fahrbahnmarkierung lauter ist als vorher."

Giuseppe Fritsch (Freie Wähler) zählte sechs Ampeln von Bammental kommend bis zum Stadtausgang Richtung Schlierbach. Er fürchtete ein großes Chaos mit Tempo 30 und holte die alte Forderung nach Kreisverkehren heraus. Diese seien nur bis zu einer bestimmten Fahrzeugbelastung sinnvoll, erklärte Koehler. Wichtig sei, dass es bei den Ampeln eine "grüne Welle" gebe.

Manfred Rothe (Freie Wähler) sagte, dass die Förderung von Lärmschutzfenstern in nicht ganz so kritischen Bereichen nur bedingt funktioniere. Die Stadt habe hierfür kein Geld.

Christian Rupp (CDU) meinte: "Hier Maßnahmen ohne eine Messung anzugehen ist so sinnvoll wie die Griechische Weinstube zu kaufen und leerstehen zu lassen." Doch genau das ist bekanntlich geschehen. Es mache keinen Sinn, Maßnahmen zu beschließen ohne zu wissen, ob diese wirklich notwendig seien. Wer an die B 37 gezogen sei, habe um den Lärm gewusst und hätte schon Lärmschutzfenster. "Oder der Lärm ist ihnen egal", meinte Rupp. Gegen ein nächtliches Tempo 30 habe er nichts, so Rupp, aber tagsüber werde der Verkehrsfluss unterbrochen. Es sei technisch schlicht nicht möglich, "an jeder Hauswand in Neckargemünd aus jedem Winkel" die Lärmbelastung zu messen, sagte Volk.