Hintergrund Radiaklenerlass

Martin Hornung: politische Entschuldigung notwendig

25.01.2019 UPDATE: 25.01.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden

Martin Hornung fordert politische Entschuldigung"

Martin Hornung (71, Foto: Rothe) legte im Sommer 1975 an der PH Heidelberg sein Examen für Grund- und Hauptschullehramt ab. Seinen Beruf durfte er aber nicht antreten - weil er sich öffentlich kritisch über den "Schiess-Erlass" durch den damaligen Innenminister Karl Schiess (CDU) geäußert hatte. Mit Berufsverbot belegt, lernte Hornung bei Grau-Bremse (Haldex) als Arbeiter an. Heute engagiert der Heidelberger sich in der Betroffeneninitiative "40 Jahre Radikalenerlass".

Herr Hornung, wie haben Sie reagiert, als Sie von der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Radikalenerlasses an der Uni Heidelberg erfahren haben?

Der erste Gedanke war: Wir freuen uns darüber, dass endlich, nach sechs Jahren, etwas in Gang kommt und die 2012 versprochene Aufarbeitung umgesetzt wird.

Zuletzt gab es einen "Runden Tisch" mit der damaligen grün-roten Landesregierung im Sommer 2015. Anfang 2016 wurde die Arbeit beendet. Seitdem herrschte Schweigen?

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Ja. Und es war für uns völlig unverständlich. Nicht akzeptabel. Aber wir mussten es hinnehmen. Herr Kretschmann hat das entschieden und wollte vor der Wahl nichts mehr vom Runden Tisch wissen.

Welche Erwartungen haben Sie jetzt an die Historiker?

Wir hoffen, dass nicht nur vorhandenes Archivmaterial aufgearbeitet wird. Sondern dass auch Einzelheiten erforscht werden, die bisher unbekannt sind. Also: Welche Kommissionen damals getagt haben, wie die Entscheidungen über Einstellung oder Nichteinstellung getroffen wurden. Protokolle oder Forschungsergebnisse dazu sind uns bisher nicht bekannt. Wir wissen aber aus Notizen in Unterlagen von Betroffenen, dass es so ein Gremium gegeben haben muss. Wir hoffen, dass die Universität es schafft, an diese Protokolle heranzukommen.

Was erhoffen Sie sich als politisches Signal?

Wir erwarten von dem Forscherteam nicht, dass es sich für die Durchsetzung unserer weiteren Forderungen nach Entschuldigung, Rehabilitierung und Entschädigung bei Altersarmut starkmacht. Da wird uns das Projekt wohl nicht entscheidend weiterbringen. Die Universität entscheidet darüber ja nicht - sondern Landesregierung und Landtag müssen entsprechende Entscheidungen treffen.

Die Forschung läuft drei Jahre, bis 2021. Gedulden Sie sich diese Zeit?

Das können wir nicht, denn wir gedulden uns schon sehr lange. Wir sehen auch, dass da die Landtagswahl dazwischen liegt. Das ist Absicht, damit man nicht beim nächsten Wahlkampf in Konflikt kommt. Wir werden weiterhin unsere Forderungen vertreten. Wir sehen nicht ein, dass jetzt drei Jahre lang nichts passiert. Über ein Dutzend der Betroffenen ist bereits gestorben. Die Mehrheit von uns ist über 70 Jahre alt. Ein weiteres Hinauströsten ist nicht akzeptabel. Es war auch in Niedersachsen und Bremen möglich, Beschlüsse zur Rehabilitierung zu fassen. Das muss unabhängig von der Forschungstätigkeit geschehen.

Die Historiker haben nicht nur die Akten zur Verfügung - sondern auch Sie als Zeitzeugen. Ist Ihnen wichtig, dass Sie auch gehört werden?

Wir haben sofort, nachdem wir - zufällig! - von diesem Projekt erfahren haben, Prof. Wolfrum angeschrieben. Wir haben die Zusage, dass wir angehört werden - aber erst, wenn das Projekt etwas fortgeschritten ist. Unsere Initiativgruppe hat auch sehr viele Materialien. Vieles, was jetzt untersucht wird, ist durch unsere Forschungstätigkeit und eigene Unterlagen weitgehend bekannt. Deswegen hoffen wir, dass die Aufarbeitung eigentlich auch viel schneller gehen müsste.

Sie sagen, Sie hätten "zufällig" von dem Forschungsprojekt erfahren?

Richtig. Wir haben zufällig über die SPD davon erfahren, die eine Anfrage dazu im Landtag stellte. Wir finden es sehr befremdlich, dass man dieses Projekt gestartet hat, ohne die Betroffenen zu informieren. Die Landesregierung hätte uns informieren müssen.